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Kirchheimer Firma wandert über Kreisgrenze

Ortlieb legt Grundstein in Zell mit Blick auf den Aichelberg – Betrieb ist innovativ und auf Expansionskurs

Im Februar will die Firma ­Ortlieb aus Kirchheim mit 90  Beschäftigten in den Gewerbepark Zell ziehen. Der Grundstein am künftigen Gebäude ist gelegt, das eine besondere Architektur erhält.

Zell u. A. Landrat Edgar Wolff zeigte sich überaus glücklich, dass ein so traditionsreiches, innovatives und leistungsstarkes Unternehmen in den Kreis Göppingen ziehe. „Sie passen zu uns.“ Gut aufgehoben sei die Firma Ortlieb auch bei der Suche nach Fachpersonal, die Geschäftsführer Dr. Dieter Simpfendörfer als verschärftes Problem für die Zukunft sieht, weil der „universitäre Bildungswahn“ grassiere. Wolff verwies auf Institutionen im Kreis: ein Netzwerk für den Maschinenbau, den Campus der Fachhochschule, die Gewerbliche Schule mit der Lernfa­brik 4.0 und das Kompetenzzentrum Mechatronik, das einen Vorzeigecharakter für ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus habe. Dass der Kreis selber wirtschaftsfreundlich agiere, bescheinigte Architekt Hans­peter Glemser: Landrat Wolff habe dafür gesorgt, dass die Firma eine Linksabbiegespur von der Kreisstraße bekommen habe, was die Behörden zunächst abgelehnt hätten.

Zells Bürgermeister Werner Link sprach von einem ganz besonderen Ereignis für den Kreis und den Gewerbepark von drei Gemeinden. Schritt für Schritt komme man dem Oberziel näher, die Einwohnerzahl zu halten und die Gewerbesteuer zu verstetigen. Ortlieb werde die Mischung des Gewerbeparks bereichern, der im inneren Bereich schon mit mittelständischen Firmen belegt sei. Jetzt fehle noch die Wala. „Ich hoffe auf die Grundsteinlegung im nächsten Frühjahr.“

Seit 2011 hat Ortlieb einen neuen Platz gesucht, weil das Firmengelände in Kirchheim aus allen Nähten platzt und nur im Zwei-Schicht-Betrieb arbeiten kann. „Dass wir einen so schönen Bauplatz bekommen, konnten wir nicht erahnen“, schwärmte Geschäftsführer Simpfendörfer mit Blick auf den Aichelberg und die Albtrauf-Silhouette. Hier solle sich das Unternehmen nun entwickeln, das gehe nicht von heute auf morgen. Im künftigen Firmengebäude ist Platz für 40 weitere Arbeitsplätze, außerdem gäbe es eine Erweiterungsfläche. Sodann könnte das Verwaltungsgebäude mit seinem charakteristischen Halbrund noch um einen Ring aufgestockt werden.

Ortlieb sieht sich auf Expansionskurs. „Wir produzieren innovative Antriebssysteme mit Elektromotor, die in vielen Fällen hydraulische Lösungen ersetzen können“, erläutert Simpfendörfer. Weil diese Technik umweltfreundlich sei, stehe auch Rückenwind von der EU in Aussicht. Diese Technik sei von 2000 bis 2007 entwickelt geworden. Seither habe die Firma allerdings eine ernste Krise durchstehen müssen. „Wir haben einige ganz alte Zöpfe abgeschnitten.“ Jetzt starte man voller Tatendrang in einen Quantensprung der 104-jährigen Firmengeschichte. Mit neuen Herzstücken der Produktion: Zwei neue Fertigungsmaschinen mit jeweils 80 Quadratmetern Standfläche und 20 Tonnen Gewicht sollen gleich mal elf CNC-Maschinen ersetzen. „Mit denen werden wir nicht mehr umziehen.“

Stolz ist Simpfendörfer auf „eines der energieeffizientesten Bauwerke“. Die Abwärme der Maschinen werden in einem Eisspeicher gepuffert und wieder in Heizwärme umgewandelt – eine Technik, die es nur etwa zehn bis 15 Mal in Deutschland gibt, sagt Planer Gerd Petersen. Hinzu kommt eine größere Photovoltaikanlage. Und geradezu überregionale Beachtung erwartet Simpfendörfer für die Architektur von Glemser: die halbrunde Form des Verwaltungsgebäudes, die an rotationssymmetrische Produkte von Ortlieb erinnert. Diese Idee kam nach einem Architektenwettbewerb zum Tragen, der nicht die gewünschten Ergebnisse brachte.

Bauingenieur Gerhard List, Chef des Generalunternehmers aus Nordhorn in Niedersachsen, bestärkte den Bauherrn in seiner Entscheidung für gute Architektur. „Das strahlt nach innen und außen.“ Die Grundsteinlegung war dann eine „Zeitkapsel“, gefüllt mit Zeugnissen der Gegenwart wie dem Tonwappen der Gemeinde Zell, einer Ortschronik und Dokumenten aus der Firmengeschichte.

Zwei Firmen bündelten ihre Kraft

Tradition. Die Firma Ortlieb wurde 1911 in Mettingen gegründet und ist im Zeitraum 1996 bis 2010 mit der Kirchheimer Firma Narr verschmolzen, die nach dem Krieg entstand. Ortlieb zog in die Räume von Narr, wo beide Firmenzweige bis heute produzieren. Stiftung. Die Firmenkons­truktion ist verschachtelt: Ortlieb firmiert als Tochterunternehmen der Narr-Beteiligungs GmbH, über der als Dach die gemeinnützige Wilhelm-Narr-Stiftung steht. So bleibt der Gewinn in der Firma und kommt Stiftungszwecken zugute. Geschäftsfelder. Ortlieb gilt als renommierter Hersteller von Werkstück- und Werkzeugspannsystemen, sie ist weltweit auf dem Markt. Aus der Tradition von Narr stammen die innovativen Antriebssysteme, mit der Ortlieb den Weltmarkt erobern will.