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„Kju wick“ ruft der Waldkauz

Natur Der Vogel des Jahres 2017 ist eine von neun Eulenarten, die rund um die Teck brüten oder als Zugvogel und Ausnahmegast erscheinen. Von Wulf Gatter

Der Walkauz kommt als „Vogel des Jahres“ zu größerer Bekanntheit.Foto: Wulf Gatter
Der Walkauz kommt als „Vogel des Jahres“ zu größerer Bekanntheit.Foto: Wulf Gatter

1903

wurden die letzten Uhus in der Umgebung um den Reußenstein gesichtet. Seit 30 Jahren breiten sie sich aber wieder in der Umgebung aus, bemerkenswerterweise wieder an denselben Stellen wie damals.

In den vergangenen 100 Jahren ging es mit den Beständen des Waldkauzes durch Höhen und Tiefen. Lange Zeit konnte er sich im Wald und in der Stadt als König der Nacht fühlen. Die anderen Eulen hielten sich von ihm, dem Stärksten, fern. Vor allem die kleinen Arten der Wälder wie Rauhfußkauz und der winzige Sperlingskauz mussten sich vor ihm fürchten, sie fehlten deshalb meist oder waren auf große zusammenhängende Waldgebiete der Gebirge beschränkt, die der Waldkauz mied.

Der Waldkauz sah sie als Nahrungskonkurrenten und verschmähte sie auch als Beute nicht. Noch vor 20 oder 30 Jahren konnten aufmerksame Beobachter in Herbst- und Winternächten in den Waldtälern der Alb dem heulenden Gesang von drei bis fünf Waldkauzmännchen gleichzeitig von einem Platz aus lauschen. Mit von Weitem hörbarem „huuuh-huhuhuhu“ oder mit einem ärgerlichen gellenden „kju wick“ macht er sich bemerkbar.

Seine besten Zeiten hatte der Waldkauz nach Ausrottung des Uhus vor einem Jahrhundert. Noch besser wurde es, als man den Fuchs während eines Tollwutausbruchs, der von den 1950 bis in die 1970er-Jahre reichte, massiv dezimierte. Man hat ihn damals landesweit in seinen unterirdischen Bauten mit Gas getötet und ihn erlegt, wo immer er auftauchte, da er als Hauptüberträger der Tollwut galt. Der Fuchs und als Leidtragender auch der Dachs, weil er meist im gleichen Bau lebte, verschwanden nach diesen Bekämpfungsmaßnahmen weitgehend oder waren über Jahrzehnte selten. Mit dem Uhu und dem Fuchs waren damit zwei Konkurrenten bedeutungslos geworden.

Als der Fuchs als Feind, als Nahrungs- und Höhlenkonkurrent des Waldkauzes selten war, brüteten Waldkäuze teilweise selbst am Boden in den Eingängen der unbewohnten Fuchsbaue. Das geschah besonders dann, wenn diese am Fuße schwer zugänglicher Felsen lagen, oder sie in abgelegenen Waldpartien zu Bodenbrütern in den ehemaligen Fuchsbauen werden konnten.

Heute sind Füchse mit ihren inzwischen wertlos gewordenen Fellen häufiger denn je, und man müsste als Waldkauz wieder auf den Bäumen wohnen. Das wäre aus deren Sicht schön, gäbe es nicht Juristen, die jeden Waldbesitzer zwingen, alle großen hohlen Bäume als Sicherheitsrisiko für Waldbesucher zu fällen. So bleiben dem Waldkauz Stammholzpolder gefällter Bäume oder alte Jagdkanzeln, in denen er eine Brut wagen kann, oder – auch immer seltener – Löcher in alten Gemäuern.

Doch die Zeiten ändern sich rasch, und zusätzliche Herausforderungen müssen bewältigt werden. Der Uhu, die weltweit größte Eulenart, war in der Umgebung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nach Jahrzehnten der Verfolgung mit allen Mitteln ausgerottet worden. Die letzten waren 1891 vom Reußenstein und bis 1903 aus den Felstälern bei Gutenberg und Schlattstall gemeldet worden, wie in „Vögel der Kreise Nürtingen und Esslingen“ von 1970 nachzulesen ist. Seit über 30 Jahren breitet sich der Uhu wieder aus und hat den Albrand zwischen Teck und Neuffen an denselben Stellen wie damals besiedelt. Die fröhlich und unbekümmert nächtelang rufenden Waldkäuze sind nach Rückkehr des mächtigen Konkurrenten ruhiger und vorsichtiger geworden.

Wer singt, macht auf sich aufmerksam. Dass das gefährlich sein kann, zeigt sich spätestens dann, wenn man an den Rupfplätzen des Uhus auch Reste von Waldkäuzen findet.