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Kliniken blicken mit Sorge auf Weihnachten

Corona Die Lage auf den Intensivstationen der Krankenhäuser ist angespannt, aber noch beherrschbar. Ob das so bleibt, wird sich wohl erst im Januar zeigen. Von Bernd Köble

Besonnenheit ist in seinem Beruf eine Kernkompetenz. Fakten nüchtern betrachten, keine voreiligen Schlüsse ziehen. Selbst Mediziner geraten in diesen Tagen schnell unter Verdacht, in Alarmismus zu verfallen. Dennoch schaut Professor Bernhard Hellmich mit Sorge auf das, was in gut zwei Wochen bevorsteht. „Was passieren kann, wenn sich Kontakte wieder häufen, führen uns die USA vor Augen“, meint der Chefarzt für Innere Medizin im Kirchheimer Krankenhaus. Im am stärksten von der Pandemie betroffenen Land der Welt schnellten die Infektionszahlen nach Thanksgiving dramatisch in die Höhe.

Mediziner fürchten nun, dass Ähnliches auch hierzulande geschehen könnte, wenn die Politik Kontaktbeschränkungen über Weihnachten lockert. Im Moment zeigt sich die Lage in den Kliniken im Kreis Esslingen zwar angespannt, aber noch immer beherrschbar. „Entscheidend wird sein, wie wir aus den Feiertagen kommen“, sagt Hellmich. Das werde sich erst zeitversetzt nach zwei bis drei Wochen zeigen. Was er von der geplanten Lockerung des Lockdowns über Weihnachten hält? „Man darf zumindest skeptisch sein“, sagt der Mediziner. „Ich bin kein Politiker, aber jeder sollte ganz genau überlegen, mit wem er sich in diesen Tagen trifft.“

Die Situation im Moment noch beherrschbar - das heißt in Zahlen ausgedrückt: Stand gestern waren in den drei Medius-Kliniken in Kirchheim, Nürtingen und Ruit 49 Covid-Patienten isoliert untergebracht. Davon mussten elf intensivmedizinisch behandelt und sieben künstlich beatmet werden. Acht freie Beatmungsplätze stehen in allen drei Häusern im Moment noch zur Verfügung: Vier in Kirchheim, drei in Nürtingen und einer in Ruit.

Am Klinikum in Esslingen stellt sich die Lage ähnlich dar. Dort wurden im November mehr als 80 Covid-Patienten auf vier Isolierstationen behandelt. Die verfügbaren 50 Betten waren dabei nahezu belegt. Zurzeit liegen dort 41 schwer an Covid Erkrankte zur stationären Pflege. „Die Situation ist deutlich angespannter als im Frühjahr“, sagt der Geschäftsführer des Esslinger Klinikums, Matthias Ziegler.

Ein wesentlicher Grund dafür ist die Personallage, denn ohne medizinische Fachkräfte bringen auch freie Betten nichts. Im Moment fehlen in Esslingen 48 Klinikmitarbeiter, die sich mit dem Virus infiziert haben. Vor zwei Wochen erst hatten sich 16 Patienten und 14 Mitarbeiter in der Neurologie und Neurophysiologie bei einem symptomfreien Patienten angesteckt. Eine ganze Station musste daraufhin in Quarantäne. Inzwischen hat sich die Lage normalisiert. Seit Ende vergangener Woche werden dort wieder Patienten aufgenommen. Fallen Pflegekräfte auf Intensivstationen aus, lassen die sich nicht einfach durch Personal aus anderen Bereichen ersetzen. Intensivpflege ist ein eigenständiger Beruf. Deshalb werden in allen Kliniken im Kreis vermeidbare Operationen im Moment verschoben, um etwa Narkoseärzte auch auf Intensivstationen einsetzen zu können.

Gleichzeitig sucht man im Kreis händeringend medizinisches Fachpersonal für die beiden Impfzent­ren, die am 15. Januar mit der Impfung besonders gefährdeter Gruppen beginnen sollen. Auch dort hofft man auf die Unterstützung durch Mitarbeiter aus den Kliniken. Aus welchen Bereichen die kommen könnten, vermag Chefarzt Bernhard Hellmich im Moment nicht zu sagen. „Viele werden das ganz sicher nicht sein.“

Weniger Lungenentzündungen

In die Sorge, was die kommenden Wochen und Monate bringen könnten, mischen sich aber auch gute Nachrichten. So geht die Zahl der herkömmlichen Lungenentzündungen, die im Winter verstärkt auftreten, im Moment zurück. „Ein Grund ist wohl, dass die Menschen Maske tragen und eine Ansteckung dadurch erschwert wird“, sagt Hellmich. Wie sich der geplante Impfstart auf die Lage in den Krankenhäusern auswirken wird, dazu wagt der Chefarzt keine allzu optimistische Prognose. Er geht davon aus, dass die Krankenhäuser noch monatelang mit der angespannten Situation werden leben müssen.