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Was ist das rechte Maß?Kommentar

Eins muss man ihnen lassen: Sie argumentieren geschickt, die Lindorfer. Sie wettern nicht etwa unbeholfen gegen Überfremdung, sie schüren keine Vorurteile und sie stellen die Flüchtlinge auch nicht unter irgendeinen Generalverdacht. Sie sagen, dass sie ihren Beitrag zur Integration leisten wollen, und bieten freiwillig an, sich für ihre „Neubürger“ zu engagieren.

Das einzige Problem, das sie haben, ist die Unverhältnismäßigkeit, und da haben sie durchaus recht: Fast hundert bleibeberechtigte Flüchtlinge zu rund 1 500 Einwohnern – das würde bedeuten, dass von künftig 1 600 Lindorfern 6,25 Prozent Flüchtlinge wären, die es zu integrieren gilt. Bei der Zahl von etwa 30 Flüchtlingen, die die Lindorfer für „schaffbar“ halten, würde diese Prozentzahl bei knapp unter zwei liegen. Auch das wäre bereits Herausforderung genug. Und die Einwohner des kleinsten Kirchheimer Teilorts sind durchaus dafür zu loben, dass sie sich zutrauen, diese Herausforderung anzunehmen.

Die Frage ist nur: Wo soll Kirchheim die Flüchtlinge unterbringen, für die 2016 und in den folgenden Jahren Anschlussunterkünfte bereitzustellen sind? Sollten sich die Zahlen in kürzester Zeit verdreifachen – was nicht unrealistisch ist –, dann wären die Lindorfer schon in wenigen Monaten statt bei 30 tatsächlich bei 90 Menschen. Und die müssten sie aufnehmen, ob sie wollen oder nicht.

Wenn sie aber zurecht argumentieren, dass die Integrationsleistung in so kurzer Zeit für 96 Personen nicht zu schaffen ist, dann droht die gesamte deutsche Flüchtlingspolitik an die Wand zu fahren. Lindorf ist ja kein Einzelfall. Die Integration muss in ganz Deutschland gelingen. Deshalb müssen auch Politiker in Bund und Ländern über die Verhältnismäßigkeit der Zahlen nachdenken – und darüber, was sich „schaffen“ lässt und was nicht.ANDREAS VOLZ