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Landschaftspfleger mit Biss

Natur Benjamin Oßwald und Tanja Kirsammer sind mit Leib und Seele Nebenerwerbslandwirte. Ihre Burenziegenherde hält die Streuobstwiesen frei von Gestrüpp, das die Tiere mit Vorliebe verspeisen. Von Iris Häfner

Was ein Eimer mit leckerem Inhalt doch bewirken kann: Aus einem scheinbar ungeordneten Haufen wird eine Herde, die in freudiger Erwartung ihrem Chef Benjamin Oßwald über die Koppel hinterherläuft. Am Ende werden die Ziegen, die für ihren Einfallsreichtum und ihre Gewitztheit bekannt sind, für ihre Kooperationsbereitschaft belohnt. Damit möglichst viele in den Sonder-Gaumenschmaus kommen, verteilt der 26-Jährige kleine Häufchen auf der Wiese - und alle sind zufrieden, einschließlich des Fotografen, für den die Aktion gestartet worden war.

Die Ziegen sind zwar nicht im Auftrag ihrer Majestät unterwegs, aber eine wichtige Aufgabe haben sie allemal zu erfüllen, und zwar in Sachen Naturschutz und Streuobstwiesenpflege. Vor ihrem Einsatz in Jesingen, ihrem Heimatort, haben sie sich in Bad Boll im Auftrag des dortigen Naturschutzbunds voller Wonne an einer Wildnis gelabt. „Eine Woche lang haben sie sich durch das Gestrüpp gebissen, bis ich sie wieder gesehen habe“, erzählt ­Benjamin Oßwald. Eine Win-win-Situation also für alle Beteiligten. „Die Ziegen gehen lieber in Hecken und lassen das Gras stehen“, nennt er die Vorlieben seiner vierbeinigen Landschaftspfleger. Da trifft es sich gut, dass zum Familienbetrieb auch eine Schafherde gehört. Vater und Brüder teilen sich im Nebenerwerb die Arbeit zur Futtergewinnung auf Äcker und Wiesen, ebenso die Betreuung der Tiere. „Die Ziegen sind für die Gehölzpflege zuständig, die Schafe für die Weide“, bringt es Benjamin ­Oßwald auf den Punkt.

Ihm liegen die Streuobstwiesen sehr am Herzen. Deshalb hat er vor drei Jahren bewusst Ziegen angeschafft. Davor schon war er zusammen mit seiner Partnerin Tanja Kirsammer stolzer Besitzer von sechs Coburger Fuchsschafen. Die weiden auf Neidlinger Wiesen, denn die beiden Jungschäfer wohnen im Reußensteinort. „Die Ziegenhaltung wird immer wichtiger, denn die Hecken wuchern die Baumwiesen immer mehr zu“, sind Benjamin Oßwald die vielen Brombeer-Wälder und -Hecken im wahrsten Sinn des Worts ein Dorn im Auge.

Seine Herde steht an diesem Tag auf einer großen Hangfläche direkt neben der Anlage des Kleintierzuchtvereins Jesingen. Auch hier sind erste Verwilderungserscheinungen klar erkennbar. Der 26-Jährige deutet zum gegenüber­liegenden Hang, zur Jesinger Halde. Die beginnt unterhalb des Schafhofs und endet am Naturschutzgebiet Wiestal mit Rauber nahe Ohmden. Nicht jeder Stücklesbesitzer rackert sich an den steilen Hängen ab. Hier kommen die Ziegen ins Spiel. „Die Jesinger Halde verbuscht. Seit ich die Ziegen habe, setze ich sie in der Landschaftspflege ein. Die Nachfrage ist da“, ist seine Erfahrung.

Damit er keine bösen Über­raschungen erleben muss, hat er in einen wolfsicheren Zaun inves­tiert. Der ist etwas höher als die üblichen Elektro-Schafzäune mit ihren quadratischen Netzen und besteht aus drei stromführen­den Drähten. „Der Wolf springt nicht oben drüber, der geht unten durch“, hat Benjamin Oßwald bei einem Kurs für Koppelschafhaltung bei der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung und Grünlandwirtschaft in Aulendorf erfahren. Noch wurde in der Teckregion kein Schaf und keine Ziege von einem Wolf gerissen. „Im Schwarzwald ist das aber ein massives Problem“, weiß er um die Gefahr für seine Tiere und möchte sie deshalb bestmöglich schützen.

In seiner Herde finden sich nur Burenziegen. „Mir gefallen die Schlappohren, deshalb kam nur diese Rasse infrage“, sagt ­Benjamin Oßwald. Die kommt ­ursprünglich aus Südafrika und findet in Deutschland immer mehr Liebhaber. Während die Bunte Deutsche Edelziege wegen ihrer Milchleistung geschätzt wird, sind die Einwanderer als Fleischrasse bekannt.

Über den Vater ist Benjamin ­Oßwald „in die Sache“ reingewachsen. „Das Schöne an der Landwirtschaft: Du kommst raus und kannst dich an der Natur erfreuen. Das ist ein Ausgleich zur Arbeit und macht einfach Spaß“, sagt der Industriemechaniker und Tanja Kirsammer ergänzt: „Die Tiere ruhen in sich selbst. Egal, wie der Tag auch war - ab dem Moment, wo du bei den Tieren bist, ist alles gut.“