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„Leistung darf nicht bestraft werden“

Landrat und Kliniken-Geschäftsführer fühlen sich durch Krankenhausgesetz in die Ecke gedrängt

Noch ist das Krankenhausgesetz nicht unter Dach und Fach. Aber den Verantwortlichen der Kreiskliniken schwillt bereits heute der Kamm, wenn sie an die möglichen Folgen denken. Heinz Eininger und Kliniken-Geschäftsführer Thomas Kräh haben dem CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich Änderungswünsche auf den Weg nach Berlin mitgegeben.

Keine Anreize für unnötige Operationen: Dafür soll der Mehrleistungsabschlag sorgen. Die Kliniken-Verantwortlichen fühlen sich d
Keine Anreize für unnötige Operationen: Dafür soll der Mehrleistungsabschlag sorgen. Die Kliniken-Verantwortlichen fühlen sich durch die mögliche Ausweitung der Regelung gegängelt. Archivfoto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Besonders die geplante Ausweitung der Mehrleistungsabschläge von drei auf fünf Jahre ist den Verantwortlichen ein Dorn im Auge. Die Krankenkassen billigen den Krankenhäusern seit 2013 eine gewisse Zahl an Operationen pro Fachgebiet zu. Wird diese Zahl überschritten, sinkt die Vergütung. Eine Ausweitung würde bedeuten, dass die Kreiskliniken über das Jahr 2015 hinaus Abschläge zahlen müssen, wenn sie mehr operieren als vereinbart.

„Wir haben in bestimmten Bereichen, zum Beispiel bei Wirbelsäulen-OPs oder bei Endoprothesen, bundesweit unglaubliche Mengenzuwächse. Und wir wissen nicht immer, ob die OP wirklich nötig war“, verteidigt Gesundheitsexperte Michael Hennrich (CDU) den Mehrleistungsabschlag, den er allerdings für „zu scharf“ hält.

Obwohl der Bundestagsabgeordnete, der Mitglied im Gesundheitsausschuss ist, den Kreiskliniken keine unnötigen Operationen unterstellen will, fühlen sich die Verantwortlichen angegriffen. „Wir gehören zu denen, die sehr selektiv operieren“, sagt Kliniken-Geschäftsführer Thomas Kräh. Dr. Zeisberger, Chefarzt der Orthopädie/Wirbelsäulenchirurgie in Nürtingen, werde regelmäßig für Zweitmeinungen herangezogen, weil bekannt sei, dass er nicht schnell zum Skalpell greife.

Die Kreiskliniken verzeichnen Zuwächse bei der Behandlung von Schlaganfällen, Herzinfarkten, Magen-Darm-Erkrankungen und Krebs. „Das sind Erkrankungen, die aufgrund der älter werdenden Gesellschaft mehr werden. Da kann man jetzt nicht sagen, dass wir uns die Patienten mit dem Lasso einfangen“, ärgert sich Thomas Kräh.

Er und der Landrat, der zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Kreiskliniken ist, sehen durch die Ausweitung des Mengenabschlags die Konsolidierungsbemühungen der Kreiskliniken gefährdet und zudem ad absurdum geführt. „Leistung darf nicht bestraft werden“, findet Kräh.

Weiterer Streitpunkt ist der Versorgungszuschlag, den die Krankenhäuser pro Fall erhalten. Derzeit sind das 0,8 Prozent. Die CDU will ihn laut Hennrich erhalten – „wie hoch er wird, werden wir sehen“, Teile der SPD nicht. Geht es nach einigen Sozialdemokraten, soll stattdessen zusätzliches Pflegepersonal eingestellt werden. „Das ist ein trojanisches Pferd!“, schimpft Kräh. „Wir haben doch jetzt schon Mühe, unsere Stellen zu besetzen. Zusätzliche Pflegekräfte gibt es nicht.“ Die Krankenhäuser bräuchten den Versorgungszuschlag, der prozentual pro Fall bezahlt wird, um das bestehende Pflegepersonal zu finanzieren. Eininger ergänzt: „Die geplante Streichung entzieht den Krankenhäusern ab 2017 60 Millionen Euro.“

Landrat und Kliniken-Geschäftsführer fordern außerdem eine bessere Finanzierung der ambulanten Notfallversorgung. Die Ambulanzen seien überlastet, weil sie immer mehr Patienten mit Schnupfen und Rückenschmerzen behandeln müssten, klagt Kräh. Ein Notfallpatient kostet im Schnitt 120 Euro und wird mit 32 Euro vergütet. Unterm Strich bleibt ein Fehlbetrag in Höhe von 88 Euro. Bei 31 700 Notfällen, die die Kreiskliniken Esslingen 2014 behandelt haben, ist das ein Minus in Höhe von 2,79 Millionen. Mit dieser Forderung rennen Kräh und Eininger bei Hennrich offene Türen ein. „Ich würde die Notaufnahme gerne neu regeln“, sagt er. Der Gesundheitsexperte macht den Verantwortlichen Mut. „Ich denke, dass wir beim Versorgungszuschlag und bei den Notdiensten Änderungen hinbekommen.“

Keine Anreize für unnötige Operationen: Dafür soll der Mehrleistungsabschlag sorgen. Die Kliniken-Verantwortlichen fühlen sich d
Keine Anreize für unnötige Operationen: Dafür soll der Mehrleistungsabschlag sorgen. Die Kliniken-Verantwortlichen fühlen sich durch die mögliche Ausweitung der Regelung gegängelt. Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

„Es gibt bundesweit zu viele Krankenhausstandorte“

Die Verantwortlichen der Kreiskliniken fühlen sich durch die Mittelkürzungen, die das Krankenhausstrukturgesetz vorsieht, in die Ecke gedrängt. „Die Anzahl defizitärer Kliniken wird stark ansteigen“, glauben sie. Auch der Konsolidierungskurs der Kreiskliniken, die erst seit Kurzem schwarze Zahlen schreiben, werde gefährdet. Laut Michael Hennrich ist das Drehen an der Kostenschraube die einzige Möglichkeit für den Bund, „einen gewissen Druck reinzubringen“. Die Krankenhäuser seien ein enormer Kostenfaktor. Die Krankenhausplanung liege leider nicht beim Bund, sondern bei den Ländern und Landkreisen. „Die Länder werden ihrer Investitionsverantwortung nicht gerecht“, sagt Hennrich. Hennrichs Meinung nach gibt es nach wie vor zu viele Krankenhausstandorte. Der Gesundheitsexperte vergleicht Holland und Nordrhein-Westfalen (NRW). Bei gleicher Einwohnerzahl existierten in Holland 100 und in NRW 370 Krankenhäuser, ohne dass die Versorgung in Holland schlechter sei. Der Landkreis Esslingen hat seine Krankenhausstandorte bereits reduziert. Der Standort Plochingen wurde aufgegeben. Die Psychiatrie am Standort Nürtingen zieht demnächst nach Kirchheim um. adö