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Lindorfer lieben seit jeher die Freiheit

Jubiläum Der Ortschaftsrat Lindorf verschafft dem Kirchheimer Teilort seit einem guten Vierteljahrhundert eine starke politische Vertretung in der Stadtpolitik. Von Alexander Forkl

Foto: Jörg Bächle

Ein Meilenstein der Lindorfer Ortschronik ist der 23. Januar 1992: Die von den Lindorfer Bürgern gewählten acht Ortschaftsräte trafen sich zu einer konstituierenden Sitzung. Der damalige Oberbürgermeister Jakob verpflichtete die amtierende Vorsitzende Erika Walter auf ihr Amt als Ortschaftsrätin. In ihrer ersten Aufgabe verpflichtete sie wiederum die sieben anderen Ortschaftsratsmitglieder dazu, sich für das Wohl der Gemeinde einzusetzen. Dies waren die Vertreter der Lindorfer Bürgerliste Wolfgang Zeh, Albrecht Schwarz, Arthur Hipp und Ursula Neroladakis sowie Manfred Haack und Gerd Rübbert von der Wählervereinigung Lindorf und Brigitte Geiger, die wie Erika Walter über die Liste der UBL/SPD in den Ortschaftsrat gewählt wurde.

Anschließend erfolgte die Wahl des Ortsvorstehers. Manfred Haack erhielt sieben Stimmen bei eigener Enthaltung. Als seine Stellvertreter wurden Gerd Rübbert und Wolfgang Zeh gewählt. Dieser Vorschlag ging an den Gemeinderat, der durch einstimmiges Votum sein Vertrauen an diese Personen aussprach.

Dieses Vertrauen zahlte sich wahrlich aus: Manfred Haack blieb durch mehrmalige Wiederwahl in dieser Verantwortung und damit bis 2009 Ehrenbeamter auf Zeit. Im Wahljahr 2009 stellte er sich nicht mehr zur Wahl, und ihm folgte Stefan Würtele als Ortsvorsteher in Lindorf, der das Amt auch heute noch innehat.

Die Bedeutung dieses Ereignisses wird bei weiterer Recherche in der Chronik deutlich. Dass die Bürger von Lindorf schon immer freiheitsliebend waren, erkennt man daran, dass sie sich 1798 als erstes von zwei Dörfern des Oberamts Kirchheim von der Leibeigenschaft freikauften. Am 1. April 1935 erfolgte jedoch die Zwangseingemeindung nach Kirchheim, Gemeinderat und Bürgermeister wurden abgeschafft. Jahrzehnte lang gab es keine Mitbestimmung im Gemeinderat für die örtlichen Belange der Lindorfer. Am Beispiel von Nabern und Jesingen, die mit der Gemeindereform von 1974 mit einem eigenen hauptamtlichen Ortsvorsteher an die Teckstadt angebunden wurden, zeigten sich mögliche Wege der Mitbestimmung. Oberbürgermeister, Gemeinderat und Verwaltung mussten sich Vorwürfe der Vernachlässigung von Lindorf und Ötlingen gefallen lassen. Gefordert wurde eine stärkere Bürgerbeteiligung. Generell sollte vor Entscheidungen im Gemeinderat die Meinung der Bürgerschaft eingeholt werden.

In einer Bürgerversammlung im Oktober 1990 in der übervollen Eduard-Mörike-Halle wurde die Einführung eines Ortschaftsrats sowohl in Lindorf als auch in Ötlingen von verschiedenen Gruppierungen energisch gefordert. Der Kirchheimer Gemeinderat beschloss daraufhin eine Änderung der Hauptsatzung und eine Ortschaftsverfassung, wodurch einem Ortschaftsrat Entscheidungsbefugnisse übertragen werden können. Im Dezember des Jahres 1990 wurden dann in den Ortsteilen Lindorf und Ötlingen Ortschaftsräte gewählt. Am 23. Januar im Jahr darauf trafen sich dann die ersten acht Lindorfer Ortschaftsräte, die aus 22 Kandidaten gewählt waren.