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Mal derber, mal tiefsinniger Reformator

Das Theaterstück „Play Luther“ bietet in der Eduard-Mörike-Halle Überraschendes aus dem Leben des Theologen

Mit einfachen Kulissen und ebenso einfachen Andeutungen von Kostümen entstehen im musikalischen Theaterstück „Play Luther“ ausge
Mit einfachen Kulissen und ebenso einfachen Andeutungen von Kostümen entstehen im musikalischen Theaterstück „Play Luther“ ausgesprochen dramatische Szenen aus dem Leben des Reformators - aufgeführt in der Eduard-Mörike-Halle in Ötlingen.Foto: Ralf Just

Kirchheim. Hätten Sie’s gewusst? Gängige Sätze wie „Sein Licht unter den Scheffel stellen“, „Ein Stein des

Andrea Barner

Anstoßes sein“ oder auch „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ gehen zurück auf den großen Kirchenreformer Martin Luther vor fast 500 Jahren. Das Leben und Wirken Martin Luthers haben zwei großartige Schauspieler aus Filderstadt in „Play Luther“ modern und verblüffend aufgearbeitet. Am Samstag führten sie es in der voll besetzten Eduard-Mörike-Halle in Ötlingen auf.

Die evangelischen Kirchengemeinden Ötlingen und Lindorf haben sich offiziell zusammengeschlossen. Ein guter Grund, um am Wochenende zu feiern – unter anderem mit einem bemerkenswert frechen Bühnenstück. Die Schauspieler Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach boten mit ihrem Zwei-Mann-Theater ungewohnte Einblicke in das Leben von Martin Luther, dem Begründer der protestantischen Bewegung innerhalb der christlichen Kirche hierzulande.

Ullrich und Beyerbach schlüpfen dabei in die unterschiedlichsten Rollen: Mal sind sie Luther, mal sein Vater, mal die holde Gattin oder der Rebellenanführer im Bauernkrieg. Stets nur andeutungsweise verkleidet, mit einer Kapuze auf dem Kopf, mit Hüten oder einer winzigen Küchenschürze. In allerlei kuriosen Szenen auch mit deftigen Sprüchen auf den Lippen. Zum Beispiel soll Martin Luther seine Erkenntnis der „göttlichen Gnade“ einer hartnäckigen Verstopfung verdanken, plagt er sich doch stundenlang auf dem stillen Örtchen – jede Menge Zeit, sich intensiv mit der Bibel zu beschäftigen. In späteren Jahren hadert er mit seiner Frau Katharina. Sie ermahnt ihn – fürs Mittelalter äußerst forsch –, dass „zweimal die Woche“ schon das Minimum ehelicher Pflichterfüllung sei. Derartige Szenen sorgen für Sympathie und Gelächter im Publikum.

Die zweite „Säule“ des Theaterstücks sind Bezüge zu Luthers Thesen, die er in ihrer ursprünglichen Fassung 1517 ans Kirchenportal in Wittenberg genagelt haben soll. Es geht darin um die weltliche Auslegung der Bibel und des Glaubens durch die katholische Kirche, die Luther teilweise frevlerisch und selbstgerecht nannte. „Vergebung der Sünden“, „der Papst als Vertreter Gottes auf Erden“ und die Geldmacherei der Kirchenobrigkeit durch Ablasshandel, um nur einige Beispiele zu nennen, stellte Luther seinerzeit an den Pranger. Deswegen musste er sich als „Junker Jörg“ eine Zeit lang auf der Wartburg verstecken, und das war langweilig („immer nur fressen und saufen, kann nicht kacken“).

Deshalb übersetzte Luther in nur elf Wochen eine griechische Urfassung des Neuen Testaments ins Deutsche und legte mit seinen Wortkreationen Grundsteine einer gemeinsamen hochdeutschen Schriftsprache, die bis dahin nur unterschiedlichste Dialekte gekannt hatte. „Ihr müsst dem Volk aufs Maul schauen“, sagte Luther und erfand Vokabeln wie „Lückenbüßer“, „Machtwort“, „Feuereifer“ – Worte, die bis heute selbstverständlich sind.

Das Bühnenbild des Theaterstücks war so minimalistisch wie die Kostüme: Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach setzten im Verlauf der Vorführung Holzrahmen zu einer Kuppel zusammen, die die „Dreifaltigkeit“ samt Strahlenkranz symbolisieren soll. Kleine Puzzlesteine, von denen das eine das andere stützt und am Ende ein wundervolles Gesamtes bildet. Die Musik in dieser Inszenierung war modern, ein bisschen Elektropop, ein bisschen Rap – und das Erstaunliche daran: Die Texte stammten alle original von Martin Luther.

„Play Luther“ wurde im Jahr 2014 uraufgeführt. Kein „frommes“ Stück, schon allein wegen der rustikalen Ausdrucksweise. Auch klang durchaus Kritik an Martin Luther durch, der seine liberalen Einstellungen im Lauf der Jahre relativierte und sich sogar zum Antisemiten wandelte. Der Theaterabend in der Ötlinger Eduard-Mörike-Halle war die 86. Station des Duos „Eure Formation“. Die beiden Darsteller aus Filderstadt bereisen mit ihrem Erfolgsstück die ganze Republik und bereiten sogar eine englische Version davon vor. Die Nachfrage, auch bei Schulen, ist groß und wird 2017 zur 500-jährigen Wiederkehr von Luthers Wittenberger „Thesenanschlag“ mit Sicherheit noch steigen.