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Mama ist kein Taxi

Regina Selz fährt mit Fahrrad und Carsharing, aber ohne eigenes Auto durchs Leben

Immer mehr Menschen entscheiden sich für Carsharing, weil sie es leid sind, dass ihr Zweitwagen die meiste Zeit kalt in der Garage steht. Gar kein eigenes Auto zu haben, ist ­hingegen immer noch die ­Ausnahme. Regina Selz zeigt, dass es geht – und das als ­Mutter von vier Kindern.

Wenn es mal nicht ohne geht, nutzt Regina Selz ein Carsharing-Auto.Foto: Jean-Luc Jacques
Wenn es mal nicht ohne geht, nutzt Regina Selz ein Carsharing-Auto.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Es ist ein weitverbreitetes Phänomen: „Taxi Mama“ fährt die Kinder morgens zur Schule. Nachmittags geht‘s weiter zum Karate-Training, der Klavierstunde oder zu Freunden. Nicht so bei Regina Selz. Ihre vier Kinder laufen. Oder fahren mit dem Fahrrad. Sie kennen es nicht anders. Familie Selz besitzt kein eigenes Auto.

Was Regina Selz heute mit viel Idealismus vertritt, war einmal aus der Not geboren: Die Familie musste renovieren und brauchte das Geld. Also wurde der große Siebensitzer verkauft. „Wir konnten uns bis dahin nicht vorstellen, ohne Auto zu leben. Mit vier Kindern geht man irgendwie davon aus, dass man eins braucht“, sagt Regina Selz, die mit ihrer Familie damals noch in Mainz lebte. Für ihren Mann brachte der Verkauf des Wagens keine großen Veränderungen: Er war auch schon zuvor mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß zur Arbeit gependelt. Regina Selz arrangierte sich schnell. „Ich habe gemerkt, dass ich das Einkaufen gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen kann. Da spart man sich dann gleich das Fitnessstudio“.

Auch in Kirchheim kommt die Familie ohne eigenes Auto aus. Vor dem Haus parkt das Fahrrad mit Anhänger. Hundert Meter weiter auf dem Rossmarkt steht das Carsharing-Auto, das Regina Selz benutzt, wenn es mal nicht anders geht. „Wenn ich ein krankes Kind von der Schule abholen muss, kann ich das natürlich nicht mit dem Fahrrad machen. Oder wenn ich etwas Schweres transportieren muss“, sagt Regina Selz. Auch bei Fahrten in den Urlaub nutzt die Familie ein Carsharing-Auto. Toll findet Regina Selz, die sich im Kirchheimer Carsharing-Verein engagiert, dass sie je nach Bedarf unterschiedlich große Autos leihen kann. Auch ihre Kinder schätzen das. Die Fahrt mit einem Neunsitzer nach Sachsen ist heute noch Gesprächsthema. „Vorne gab es eine Dreiersitzbank, auf der neben dem Fahrer noch zwei andere Platz hatten. Das war natürlich cool“, sagt Regina Selz und lacht.

Dass die Familie kein eigenes Auto besitzt, mache ihren Kindern nichts aus. Ihre Älteste fahre ohnehin ungern Auto. „Ihr wird schlecht von der Autoluft. Ohne Reisekaugummi geht‘s nicht“. Dass die Kirchheimerin nicht „Taxi Mama“ für ihre Vier spielen kann, findet sie nicht schlimm. „Ich habe immer versucht, Termine für die Kinder so zu organisieren, dass sie sie selbst bewältigen können“. Zu viel Terminstress für Kinder lehnt sie ohnehin ab. Außerdem tun ihr die Kleinsten leid, „die im Auto herumsitzen müssen, nur weil die Großen irgendwo hingebracht werden müssen“. Durch den Verzicht aufs eigene Auto hätten ihre Kinder gelernt, Bus und Bahn zu benutzen. „Das fördert die Selbstständigkeit“. Regina Selz findet es wichtig, den Kindern Freiheiten zu lassen. Passieren könne überall etwas, „auch mit Auto“.

Wenn sie darüber nachdenkt, wer in ihrem Umfeld noch ohne Auto auskommt, muss Regina Selz lange überlegen. „Ich kenne Alleinerziehende, die sich ein Auto nicht leisten können“, sagt sie. Auch für Senioren, die nur noch ab und zu Auto fahren, sei Carsharing eine gute Sache. Obwohl Regina Selz mit gutem Beispiel vorangeht, weiß sie, dass der Verzicht aufs eigene Auto nicht für jede Großfamilie möglich ist. „Wir wohnen zentral, haben ein Carsharing-Auto direkt um die Ecke. Die Kinder können überall zu Fuß hin, und ich brauche das Auto nicht, um einkaufen zu gehen“, fasst Regina Selz die Voraussetzungen zusammen. Mittlerweile könnten sie sich ein Auto zwar wieder leisten. Aber sie wollen gar keins mehr.