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Mehr Energie für die Energiewende

Umweltschutz Ei­ne Grup­pe von Bür­gern hat in Ne­ckar­tail­fin­gen ei­ne En­er­gie­ge­nos­sen­schaft ge­grün­det. Die Mit­glie­der wol­len die Ge­mein­de aut­ark ma­chen. Doch bis da­hin ist noch ei­ni­ges zu tun. Von Caroline Holowiecki

Was für ei­ne La­ge, was für ei­ne Aus­sicht! Nörd­lich des Ne­ckars, im so­ge­nann­ten Fle­cken der Ge­mein­de Ne­ckar­tail­fin­gen, sit­zen die meis­ten Häu­ser am Hang. Der Blick geht nach Sü­den, der Son­ne ent­ge­gen. Ei­ne tol­le Wohn­ge­gend – doch ei­nes fehlt nach dem Ge­schmack von elf Män­nern aus dem Ort, aus Nür­tin­gen und Kirch­heim: Es sind kaum Dä­cher mit Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen (PV) be­legt. Da­bei ist der Stand­ort prä­de­sti­niert für die En­er­gie­ge­win­nung. „Es wä­re per­fekt, aber es ma­chen zu we­ni­ge“, sagt An­dre­as Wind. „Das tut weh.“

Der 53-Jäh­ri­ge ist Teil der Grup­pe, die das än­dern möch­te. Die elf Män­ner ha­ben jüngst die Dol­fen­ger En­er­gie eG ge­grün­det, ei­ne En­er­gie­ge­nos­sen­schaft in Bür­ger­hand. De­ren Grund­idee: die En­er­gie­wen­de ma­ß­geb­lich vor­an­trei­ben und die 4000-See­len-Ge­mein­de auf lan­ge Sicht aut­ark ma­chen. Da­für müss­ten die Zahl der PV-An­la­gen deut­lich er­höht und die En­er­gie­pro­duk­ti­on im Ort hoch­ge­fah­ren wer­den.

Beratungsbedarf ist groß

Ge­ra­de das The­ma Pho­to­vol­ta­ik sei aus­bau­fä­hig. Ma­xi­mal zehn Pro­zent der Dä­cher im Ort sei­en mit So­lar­zel­len aus­ge­stat­tet. Gleich­wohl in­ter­es­sie­re das The­ma vie­le Men­schen, ha­ben die Män­ner fest­ge­stellt. „Der Be­ra­tungs­be­darf ist re­la­tiv groß“, sagt der 57-jäh­ri­ge Hen­ry Leu­kert. Bei den Tech­ni­ken ge­be es Un­ter­schie­de, die War­te­zei­ten sei­en lang und Hand­wer­ker rar. Man­fred Schüss­ler (65) spricht zu­dem von „Mond­prei­sen“. Zu­dem ge­he „der Ser­vice den Bach run­ter“.

Hier wol­len die Ge­nos­sen­schafts­mit­glie­der mit Auf­klä­rung punk­ten und den Ne­ckar­tail­fin­gern bei der Ma­te­ri­al­be­schaf­fung und der Su­che nach Fach­leu­ten un­ter die Ar­me grei­fen. Zen­tral sei, ne­ben der PV-An­la­ge auch in je­dem Fall ei­nen Lang­zeit­spei­cher zu in­stal­lie­ren. Pri­va­te Er­fah­run­gen mit der En­er­gie­ge­win­nung ha­ben sie al­le. Je­des Mit­glied hat ei­ne PV-An­la­ge auf dem Dach. „Es ist kei­ne Ra­ke­ten­wis­sen­schaft“, ver­si­chert Frank Mül­ler (52) la­chend.

Die Män­ner sind Kol­le­gen, Nach­barn, Ver­eins­kum­pels, Cou­sins. Je­der bringt be­stimm­te Kom­pe­ten­zen mit. Ei­ner ist Ar­chi­tekt, der an­de­re Ban­ker, wie­der an­de­re sind Tech­ni­ker oder Elek­tri­ker, der ei­ne ar­bei­tet im Ver­trieb von PV-An­la­gen, der Nächs­te ist Wirt­schafts­in­ge­nieur. „Wir er­gän­zen uns“, sagt An­dre­as Wind. Die Idee, das ge­ball­te Know-how in punc­to grü­ner Strom zu pro­fes­sio­na­li­sie­ren, ha­be in der Grup­pe schon lan­ge ge­schwelt. „Der Ukrai­ne-Krieg hat das be­feu­ert“, er­zählt Hen­ry Leu­kert.

An Ide­en man­gelt es der Her­ren­run­de nicht, sei es zu Wär­me­ver­sor­gungs­kon­zep­ten, zum The­ma Was­ser­stoff­pro­duk­ti­on oder zur Nut­zung des Ne­ckars. „Wenn wir aut­ark sein wol­len, kön­nen wir nicht nur auf ei­nes ge­hen“, sagt An­dre­as Wind. Lang­fris­tig schwebt der Grup­pe vor, sich als En­er­gie­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men zu po­si­tio­nie­ren. Für Hen­ry Leu­kert ist das „die lo­gi­sche Kon­se­quenz“. Zu­nächst sol­len aber wei­te­re Mit­strei­ter ge­won­nen wer­den, eben­so Dä­cher, auf de­nen Strom pro­du­ziert wer­den kann. Dem­nächst will die Ge­nos­sen­schaft ei­nen öf­fent­li­chen In­for­ma­ti­ons­abend ver­an­stal­ten. „Was ei­ner nicht schafft, schaf­fen vie­le“, gibt Ju­li­an Sant­ner, der mit 35 Jah­ren zu den Jun­gen ge­hört, als Mot­to aus.

PV-Anlage für die Turnhalle

Ein Pi­lot­pro­jekt hat die Dol­fen­ger En­er­gie schon aus­ge­guckt: Sie will dem Bür­ger­meis­ter schmack­haft ma­chen, dass die Ge­nos­sen­schaft ei­ne statt­li­che PV-An­la­ge mit ei­ner Leis­tung von mehr als 100 Ki­lo­watt-Peak auf der Turn­hal­le auf­baut und die Ge­mein­de dann den Mie­ter­strom be­zieht. Start­ka­pi­tal ist da. Bei der Grün­dungs­ver­an­stal­tung der Ge­nos­sen­schaft zeich­ne­ten die elf Män­ner in Sum­me 59 Ge­nos­sen­schafts­an­tei­le zu je 500 Eu­ro. Hen­ry Leu­kert be­tont: „Wir wol­len auch un­se­re Ren­di­te.“ Der­zeit ge­he es ih­nen aber in ers­ter Li­nie dar­um, den Ort vor­an­zu­brin­gen. „Es geht um rea­le, prak­ti­sche Lö­sun­gen“, sagt er. Ju­li­an Sant­ner fügt hin­zu: „Und um die Lö­sung für die Kin­der. Und ir­gend­wann die Kin­der der Kin­der.“