Weilheim · Lenningen · Umland

Miar Moiakäfer

Miar Moiakäfer
Miar Moiakäfer

Wer gerne mal einen Fuß vor die Tür setzt, dem wird es aufgefallen sein. 2015 ist ein Maikäferjahr. Wer‘s nicht glaubt, der setze sich an einem lauen Abend in der Dämmerung unter eine Laterne und gebe acht, dass er nicht in die Flugbahn gerät. Maikäfer sind zwar sensible Kerlchen, die Wissenschaft zählt mehr als 50 000 Geruchsnerven. Ihr Navigationssystem allerdings wäre in jeder Mediamarkt-Filiale vermutlich der Ladenhüter der Saison. Wenn‘s am Abendhimmel ordentlich brummt, dauert es meist nicht lange bis es gleichermaßen kräftig scheppert.

Tollpatschigkeit gilt ja seit jeher als süß. Vielleicht der Grund, weshalb der Maikäfer seit Urzeiten ein warmes Nest in Kinderherzen besetzt hält. Wer erinnert sich nicht mit leisem Seufzen daran, wie er im zarten Alter, ausgestattet mit Federballschläger und durchlöchertem Schuhkarton, unter der Straßenlaterne lauerte. Im Mai hatte jedes Kinderzimmer sein eigenes Terrarium.

Zumindest was Wald und Wiesen rund um die Teck angeht, war Reinhard Mey schief gewickelt als er 1974 melodiös klagte: „Es gibt keine Maikäfer mehr.“ Der inzwischen ergraute Barde ist, wie man weiß, in Berlin geboren. Dass zwischen Plattenbau und Todesstreifen der Wunsch nach geografischer Veränderung wächst, kann man keinem Krabbler verübeln.

Hier ist das anders. Im Städtchen Owen ganz besonders. Dort ist nicht nur die Haselnuss schwarzbraun, sondern ebensolcher Käfer eine Art Wappentier. Verewigt in der Heimatsage und in sattsam bekannter Volksweise, die man bevorzugt im Stadium fortgeschrittener Alkoholisierung schmettert. Der Owener – als „Moiakäfer“ wohlbekannt, wie es darin heißt – tut sich dadurch hervor, dass er die Schläue quasi per Muttermilch intus hat. Nicht erst seit Neuem, sondern schon immer. Die Sage beschreibt, wie die Owener im nicht näher bezifferten Plagejahr den Nürtinger Amtsschimmel mal so richtig am Schwanz gezogen haben. So was tut gut – bis heute. „Warum man die Owener Maienkäfer heißt“, lässt sich in nicht ganz einwandfreiem Deutsch im Büchlein „Miar Moiakäfer“ nachlesen. Auf das auch der Zugezogene Erleuchtung finde. Der Maikäfer stiftet Identität. Selbst für den, der schon eine hat.

Des „Moiakäfers“ Welt ist schwer in Ordnung. Dafür sorgt schon der schützende Panzer. In Jahren wie diesen zählt man davon besonders viele. Warum es am Himmel überm Käferland nur in mehr oder weniger festen Zyklen brummt, hat die Forschung entschlüsselt. Vier Jahre lässt sich der Engerling im Mittel Zeit, bis er sich zum Leidwesen der Forstwirte in einen gefräßigen Blattschädling verwandelt.

Empirisch weit weniger belastbar ist die steile These, wonach sich die Populationsschwankungen des Propeller-Insekts in Owen im Verlauf der Geburtenrate widerspiegeln sollen. Der Fakten-Check: In 2012, dem vorausgegangenen Maikäferjahr, erblickten 22 „Moiakäfer“ in Owen das Licht der Welt. In den beiden Folgejahren – man höre und staune – waren es mit jeweils 31 deutlich mehr. Für das azyklische Reproduktionsverhalten der zweibeinigen Vierflügler gibt es bis dato keine Erklärung. Auch heuer wird kein Schuh draus: Die bisher zehn Geburten bis kurz vor Jahresmitte sind allenfalls schlechter Schnitt.

Was nicht ist, kann bekanntlich werden. Am Dienstag ist in Owen Maientag. Im zarten Grün am verschwiegenen Rand des Wasens, soll schon so mancher „Moiakäfer“ erfolgreich gelandet sein.

BERND KÖBLE