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Miles Davis lässt grüßen

Wallace-Roney-Quintett in der Bastion

Kirchheim. Wieder einmal konnte der Kirchheimer Club Bastion einen absoluten Top Act der internationalen Jazz-Szene im historischen Gewölbe willkommen heißen. Das Wallace-Roney-Quintett wusste von Beginn an zu elektrisieren und stellte eindrücklich unter Beweis, dass die hohe Innovationskraft des Modern Jazz, wie er Ende der 1960er-Jahre beispielhaft durch Miles Davis' zweites großes Quintett vertreten wurde, noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Apropos Miles Davis: Diesbezüglich schultert Wallace Roney ein ebenso ehrenvolles, wie auch schweres Erbe. Denn seit er dem Meister 1991 bei dessen letzten Montreux-Auftritt solistisch Schützenhilfe geben durfte, wird von Roney kaum noch ohne Nennung des Übervaters gesprochen. Dabei gab es den Musiker Roney auch schon vorher. Bekannt wurde er durch seine Zusammenarbeit mit Herbie Hancock, McCoy Tyner, Elvin Jones, Art Blakey und Ornette Coleman. Mit 19 Jahren erhielt er vom „Down Beat Magazin“ den Jahres-Award für den „Best Young Musician of the Year“.

Im Laufe seiner Karriere hat der 1960 geborene Trompeter bis dato drei Grammys mit nach Hause nehmen dürfen. Bis 1982 spielte Wallace Roney bei Art Blakey’s legendären Jazz Messengers, fünf Jahre später bat Blakey den Trompeter, die Position des musikalischen Direktors der Band zu übernehmen.

Andererseits war auch beim Konzert im Kirchheimer Club Bastion der erhebliche Einfluss, den Miles Davis auf die Roney-Group ausübt, kaum zu überhören. Die bewusste stilistische Nähe zu „klassischen“ Davis-Alben wie „ESP“, „Miles Smiles“ oder „The Sorcerer“ dürfte manchen der Hörer eine regelrechte Zeitreise in die goldene Ära des Modern Jazz bereitet haben. Eine Tugend, die Roney seinem Mentor abgeschaut hat, ist es, die eigenen Soli als prägnante Statements in den Raum zu stellen und dafür den jüngeren Mitstreitern Raum zur epischen Entfaltung zu geben.

Sicher nicht ohne Kalkül stellte Roney seinen Saxofonisten Ben Solomon nicht nur vollmundig als „best young tenor player in the world“ vor, sondern stellte ihn auch in die künstlerische Schnittmenge von Wayne Shorter und John Coltrane, die bekanntlich beide an der Seite von Miles Davis standen. Deren Riesenschatten jedoch hat der als „junger Wilder“, auf der Bühne hingegen geradezu stoisch wirkende Musiker aus Chicago kaum zu fürchten. Stilsicher und authentisch beherrscht er die lyrische Seite des Saxofonspiels ebenso wie die heftigere Gangart und erwies sich als schier unerschöpflicher Ideenmotor eines improvisatorischen Ansatzes, der bei aller Traditionsverhaftung nie Gefahr lief, in Klischees aufzugehen.

Solistische Höhepunkte setzten ebenso Bassist Rashaan Carter sowie der in New York als neuer Piano-Star gefeierte Antony Wonsey. Der kurzfristig für den verhinderten Bruce Ditmas eingesprungene Eric Allen begeisterte nicht nur mit Funken sprühenden Drum-Soli, er zeigte sich zudem als überaus sensibler und präsenter Begleiter, der an Klangfarbigkeit seinen Kollegen in der Rhythmus-Gruppe in nichts nachstand.

Insofern war die Gefahr des reinen Epigonentums hinreichend gebannt. Auch diejenigen Bastions-Besucher, die sich nicht als Davis-Puristen bezeichnen würden, kamen in den Genuss eines großartigen und zeitlosen Jazz-Abends, der in anregender Erinnerung bleiben dürfte.