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Mit anpacken und Deutsch lernen

Zehn syrische Flüchtlinge haben in Notzingen ein neues Leben begonnen – Zwei haben Jobs

Seit rund einem Monat leben zehn syrische Flüchtlinge in Notzingen. Ein rund 60 Mitglieder starker Arbeitskreis für Integration und Asyl hilft ihnen dabei, im Dorf Fuß zu fassen.

Flüchtlinge helfen derzeit dabei, die Arche in Notzingen für syrische Jugendliche herzurichten.Fotos: Jean-Luc Jacques
Flüchtlinge helfen derzeit dabei, die Arche in Notzingen für syrische Jugendliche herzurichten.Fotos: Jean-Luc Jacques

Notzingen. Abdul I. (Name geändert) klopft sich den Staub von der Kleidung. Der 48-Jährige hat den ganzen Morgen in der Arche gearbeitet, die momentan für syrische Jugendliche hergerichtet wird. 1,05 Euro bekommt er pro Stunde, so viel, wie ein Flüchtling verdienen darf, der in den Mühlen des Asylverfahrens steckt. Wenig Geld, auch für einen Flüchtling. Aber Abdul I. ist dankbar für diese Gelegenheit. Der Syrer ist einer von zehn, die seit rund einem Monat im Dorf leben. Er ist in Notzingen angekommen.

Der Mann, der ihm dabei geholfen hat, heißt Volker Unthan. Er ist einer von rund 60 Mitgliedern des Arbeitskreises für Integration und Asyl, der sich in Notzingen gegründet hat. Das sind nur die offiziellen Zahlen. Im Hintergrund packen noch mehr mit an. Unthan arbeitet seit vielen Jahren in der Arche. Zwei Flüchtlinge gehen ihm dort bei den Umbauarbeiten zur Hand. Der Notzinger möchte noch zwei weitere unterbringen. Abdul I. sei sehr fleißig und motiviert, man müsse ihn manchmal eher bremsen, lobt Unthan seinen neuen Mitarbeiter. Er weiß, dass die Arbeit in der Arche den Syrern mehr bedeutet als die 1,05 Euro, die sie pro Stunde mit nach Hause nehmen. Sie tun etwas, packen mit an – und lernen nebenbei noch etwas Deutsch. „Immer, wenn ich ein Wort sage, das er noch nicht kennt, zieht Abdul ein kleines Buch aus der Tasche und schreibt es hinein“, sagt Unthan. Mithilfe von „Google Translator“, das auf Abduls Smartphone läuft, wird es übersetzt. Stück für Stück wächst der Wortschatz.

Zwei Mal die Woche unterrichten Ehrenamtliche, darunter Lehrer, die Flüchtlinge. Der Deutschunterricht findet im ersten Stock des alten Gebäudes neben der Flüchtlingsunterkunft in der Kirchheimer Straße statt. Im Stockwerk darunter haben die Mitglieder des Arbeitskreises eine kleine Kleiderkammer eingerichtet. Sie ist mittlerweile gut bestückt, die Spendenbereitschaft der Notzinger sei immens. „Wir nehmen weiterhin Kleidung an, weil wir damit rechnen, dass Hochdorf und Kirchheim Nachschub brauchen werden“, sagt Volker Unthan. Auch ein Abstellraum für die Fahrräder der Männer ist vorhanden. Der AK Integration und Asyl bittet weiterhin um Spenden. Vor allem Winterkleidung und Fahrräder werden gesucht.

Die Mitglieder des Arbeitskreises Asyl haben in diesen Tagen viele Aufgaben. Sie müssen die Flüchtlinge durch den Behördendschungel begleiten, den sie manchmal selbst noch nicht durchschauen. Glücklicherweise gibt es Fortbildungen für die ehrenamtlichen Helfer. „Ich besuche demnächst eine Schulung zum Thema Arbeitsrecht“, sagt Peter König, der sich in der Gruppe Arbeit und Praktikum engagiert. Außerdem begleitet er die Flüchtlinge zur Betriebsbesichtigung in eine Firma, die gerne Flüchtlinge beschäftigen möchte. König arbeitet außerdem daran, den Flüchtlingen W-Lan zu verschaffen. „Das ist wichtig, weil Prepaid-Karten sehr teuer sind“, sagt er.

Eine wichtige Aufgabe, betont Pfarrer Edgar Tuschy, sei die Kommunikation mit den Notzingern und Wellingern. Mit Vorurteilen aufräumen, informieren, aufklären, auch das sieht er als Aufgabe des AK Integration und Asyl. „Ich werde zum Beispiel häufig gefragt, warum Asylbewerber teure Smartphones haben“, sagt Edgar Tuschy. Er erkläre dann, dass das Smartphone für die Flüchtlinge die einzige Möglichkeit sei, mit der Heimat in Kontakt zu bleiben. Häufig lebten Frauen und Kinder noch in Syrien, die Männer seien in großer Sorge.

Auch Peter König betont: „Im Gespräch kann man viele Ängste nehmen“. Vereinzelt habe es Beschwerden aus der Nachbarschaft gegeben. Meist seien es Missverständnisse, die schnell ausgeräumt seien. „Wenn jemanden etwas stört, sollen sie die Flüchtlinge direkt ansprechen oder sich an uns wenden“, sagt Peter König. Insgesamt seien die Asylbewerber freundlich aufgenommen worden, es gebe viel Hilfsbereitschaft und Toleranz. Pfarrer Edgar Tuschy freut sich, dass Notzingen seinem wenig toleranten Ruf, der dem Dorf noch immer anhängt, nicht gerecht wird. „Toll, dass so viele Menschen helfen“, sagt er.

Syrische Flüchtlinge helfen in der Arche
Syrische Flüchtlinge helfen in der Arche