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Mit langem AtemInfo

Jagdhörner dienten früher der Kommunikation – heute geben sie Konzerten eine Extra-Note

Ob Ziegen-, Kuh- oder Büffelhorn – bereits vor Urzeiten entlockten Menschen ihnen die ersten Töne. Sie sind die Vorläufer heutiger Blechblasinstrumente.

Für Hansjörg Grünenwald (links) und Patrick Schwarz sind das Fürst-Pless- und das Parforcehorn ein Stück Kulturgeschichte.Foto:
Für Hansjörg Grünenwald (links) und Patrick Schwarz sind das Fürst-Pless- und das Parforcehorn ein Stück Kulturgeschichte.Foto: Daniela Haußmann

Kirchheim. Tierhörner und die Gehäuse von Meeresschnecken sind die Urahnen heutiger Blechblasinstrumente. In grauer Vorzeit sendeten die Menschen mit ihnen Signale aus, um vor Gefahren zu warnen und Informationen über weite Strecken zu transportieren. In die Spitzen oder Seiten der Hörner wurden Löcher gebohrt, dank derer es möglich war, mit geringem Energieaufwand Töne zu erzeugen, die sich mit Schallgeschwindigkeit verbreiteten. „Das, was für heutige Jäger das Handy ist, war in anderen Epochen der Menschheitsgeschichte das Horn“, berichtet Patrick Schwarz. „Bevor es sich aber neben der Waffe zu einem unverzichtbaren Jagdutensil entwickelte, wurde es vorrangig zu mythischen, kultischen, aber auch militärischen Zwecken eingesetzt.“

Aus den ersten aus Metall gefertigten Hörnern ließen sich lediglich ein oder zwei Töne entlocken, wie der Bläserobmann der Jagdhornbläser Kirchheim erklärt. „An die Erzeugung von Tonfolgen und Harmonien war damals noch nicht zu denken“, weiß Patrick Schwarz. „Erst mit der Entwicklung von Parforce-, Fürst-Pless- und Ventilhorn war es möglich, mehrere Töne auf den Instrumenten zu spielen.“ So taten sich neue Einsatzgebiete auf. Jagden werden mit Ruf- und Leitsignalen begleitet, Jagdgesellschaften unterhalten und Hubertusmessen mitgestaltet.

Im 17. Jahrhundert, der Zeit des Barocks, gewann die Jagd zu Pferd, begleitet von einer Hundemeute, auch in Deutschland an Bedeutung. „Bei dieser sogenannten Parforcejagd kamen in D oder Es gestimmte Parforcehörner zum Einsatz“, erläutert Hansjörg Grünenwald. „Ihr Ursprung liegt in Frankreich. Dort wurde das Instrument aus einem etwa 4,45 Meter langen Messingrohr hergestellt, das 1,5 Mal gewunden wurde.“ Im Verlauf des 18. Jahrhunderts setzte sich dann allerdings die Bauweise mit 2,5 Windungen durch, wie der Musikdirektor der Kirchheimer Jagdhornbläser ausführt. Auf in B gestimmten Parforcehörnern sind laut Patrick Schwarz maximal zwölf, auf Instrumenten in Es 16 Naturtöne spielbar. Durch ein Umschaltventil lassen sich ihm zufolge Parforcehörner in Es auch in B blasen. „Die Spieler können so in gemischten Gruppen musizieren und gleichzeitig die große Jagdmusik pflegen“, bilanziert der Bläserobmann. Durch Stopfen, wie das Einführen der Hand in den Schalltrichter genannt wird, klingt der geblasene Ton dunkler. „Durch das breite Tonspektrum und die romantische Klangschönheit kann das Instrument hervorragend im Rahmen von Konzerten gespielt werden“, sagt Schwarz. „Beispiele dafür sind Carl Maria von Webers Oper ‚Der Freischütz‘ und Joseph Haydns Oratorium ‚Die Jahreszeiten‘.“

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erfuhr die Parforcejagd in Deutschland ihren Niedergang. Die Jagd, die bis dahin ein ausschließlich dem Adel vorbehaltenes Privileg war, wurde bürgerlich. Mit dem Aufkommen der Treibjagd verlor das Parforcehorn seine Bedeutung. An seine Stelle trat das kleine, handliche Fürst-Pless-Horn, das aus einem rund 1,35 Meter langen Messingrohr hergestellt wird. „Es umfasst fünf Naturtöne“, berichtet Hansjörg Grünenwald. „Versierte Bläser können auf ihm aber auch sieben Töne blasen.“ In Kombination mit ebenfalls in B gestimmten Parforcehörnern, deren Tonspektrum eine Oktave tiefer liegt, lassen sich laut Patrick Schwarz abwechslungsreiche, klangvolle und dynamische Konzerte mit viel Ausdruckskraft bestreiten.

Zwar kommt das Fürst-Pless-Horn auch heute noch bei Gesellschaftsjagden zum Einsatz, doch sein großes Anwendungsgebiet liegt bei Konzerten und Festen. Für Patrick Schwarz und Hansjörg Grünenwald hat das Musizieren auf den Instrumenten nichts mit jenem Scheppern und Donnern gemein, das bei der Jagd zur Verständigung über große Distanzen unabdingbar ist. „Warme, brillante, schallende, harmonische Klangvariationen zeichnen das Spiel im Bläsersatz aus“, sagt Grünenwald und betont: „Tradition und Brauchtum verbinden sich heute mit modernen Interpretationen bekannter Stücke.“ Das sei eine schöne Sache, die musikalische Darbietungen zu einem besonderen und unvergesslichen Erlebnis mache.

Die Jagdhornbläsergruppe der Jägervereinigung Kirchheim tritt am Samstag, 24. September, um 11 Uhr im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kunsthöfle“ der Volksbank Nürtingen-Kirchheim auf. 21 Bläser präsentieren beim frühherbstlichen Platzkonzert neben traditionellen Jagdsignalen ein breites Spektrum an Spielstücken und Märschen. Der Eintritt zu dem etwa einstündigen Konzert in der Kirchheimer Brandstraße ist kostenlos.