Krankenhaus Kirchheim leidet unter Patienten, die ohne Not in die Ambulanz kommen
Mit Schnupfen in die Notaufnahme

Die Notfallambulanz der Klinik Kirchheim arbeitet am Rande ihrer Kapazität. Schuld sind nicht Patienten mit lebensbedrohlichen Krankheiten, sondern solche, die mit Schnupfen oder Rückenschmerzen in die Notaufnahme kommen.

Kirchheim. „Wir behandeln teilweise Patienten mit Magen-Darm-Beschwerden oder Schnupfen. Und zwar auch Menschen, denen es eigentlich gut geht“, sagt ein Mitarbeiter der Klinik Kirchheim, der regelmäßig in der Notfallambulanz Dienst hat und der anonym bleiben möchte. Dass immer mehr Menschen mit „Bagatellen“ denken, sie hätten Anspruch auf notfallmedizinische Versorgung, ist Ärzten und Pflegern ein Dorn im Auge. Ändern können sie es nicht. „Wir müssen jeden Patienten anschauen. Sonst machen wir uns strafbar“, verweist der Mitarbeiter auf die Leistungspflicht der Krankenhäuser.

Gründe, so der Mitarbeiter, gebe es viele. Manche hätten schlicht und einfach keine Lust, beim Hausarzt auf einen Termin zu warten. „Sie wollen, dass ihnen sofort geholfen wird.“ Andere seien überbesorgt oder wüssten nicht, dass ein Magen-Darm-Infekt verschwindet, wenn man ein paar Tage im Bett bleibt und Kamillentee trinkt. Andere erwarten, dass sie im Krankenhaus schnell eine Krankschreibung oder ein Rezept bekommen. „Wir dürfen aber weder das eine noch das andere ausstellen“, sagt der Mitarbeiter. „Die Patienten sind meistens ziemlich sauer, wenn sie hören, dass sie doch zum Hausarzt müssen.“

Leidtragende können im Extremfall Patienten sein, deren Leben ernsthaft bedroht ist. „Bei uns ist auch schon ein Herzinfarkt draußen gesessen, weil wir so beschäftigt waren“, sagt der Mitarbeiter. Dank der sogenannten Triage glücklicherweise ein Einzelfall. Bei Ankunft in der Notaufnahme werden die Patienten triagiert, also eingestuft: Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen werden sie sofort behandelt. In einer zweiten Kategorie landen jene, die ein wenig, aber nicht zu lange warten können. Und wer mit Schnupfen in die Notaufnahme kommt, sollte je nach Andrang viel Zeit mitbringen.

Durch die Behandlung von „Bagatellen“ im Krankenhaus entstehen hohe Kosten (siehe Infokasten). „Beim Hausarzt nimmt keiner bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit Blut ab, und ein EKG gibt es dort gar nicht“, sagt der Mitarbeiter. Im Krankenhaus stehe alles zur Verfügung – und werde im Zweifelsfall auch benutzt. „Nachts arbeiten häufig die unerfahrenen Ärzte. Die machen lieber ein Röntgenbild mehr, bevor sie irgendetwas übersehen.“

Auch Norbert Nadler, Leiter der Klinik Kirchheim-Nürtingen, bereitet die Zahl der Patienten Bauchschmerzen, die ohne Not in der Notaufnahme erscheinen. Zum einen sei das Notfallaufkommen größer geworden. Auch die eingeschränkten Öffnungszeiten der Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte bekomme das Krankenhaus zu spüren. Viele Patienten gingen aber auch einfach ins Krankenhaus, weil sie sich dort eine schnellere und gründlichere Behandlung versprächen. In Nürtingen sei es noch extremer als in Kirchheim, sagt er. „Das liegt daran, dass Patienten mit Rückenschmerzen eher nach Nürtingen kommen.“

Um für Entlastung zu sorgen, setzen die Kliniken in diesem Bereich mehr Personal ein. „Allerdings ohne Gegenfinanzierung“, sagt Norbert Nadler. Ohnehin sei die Notaufnahme ein reiner Zuschussbetrieb. Der große Andrang gehe auch zu Lasten anderer stationärer Patienten. „Manchmal arbeiten drei oder vier Ärzte in der Notfallambulanz, wo eigentlich nur einer oder zwei eingeplant waren. Darunter leiden Patienten oder Angehörige, die sich dann zurecht beschweren, dass ein versprochenes Arztgespräch nicht geführt worden ist.“ Norbert Nadlers Wunsch ist, dass die Notaufnahme adäquat gegenfinanziert wird. „Dann könnte man einen zusätzlichen Raum zur Verfügung stellen und einen Arzt, der sich um die leichteren Fälle kümmert.“

Nadler bittet Patienten mit normalen Erkrankungen, die nicht der Krankenhausbehandlung bedürfen, tagsüber zum Arzt zu gehen. Viele Hoffnungen macht er sich allerdings nicht: „Wir können an die Patienten appellieren, aber wir haben es nicht in der Hand.“