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Monteure schrauben an der Zukunft

Das Autohaus Karl Russ betreibt jetzt eine Werkstatt für wasserstoffbetriebene Omnibusse

In der Mercedes Benz-Vertragswerkstatt Autohaus Karl Russ wird an der Zukunft geschraubt. Ob bei Regen oder Sonnenschein – bis vor wenigen Wochen öffneten die Techniker noch vor den Montagehallen die Abdeck- und Motorhauben von wasserstoffbetriebenen Omnibussen. Jetzt haben Mitarbeiter und Fahrzeuge ein Dach über dem Kopf, das mit modernster Technik ausgestattet ist. Sie sorgt für Sicherheit, wenn das chemische Element Hydrogenium im Spiel ist.

Rund 70 000 Euro investierte das Autohaus Karl Russ in eine Wasserstoffwerkstatt, in der die Citaro FuelCell-Busse der Stuttgart
Rund 70 000 Euro investierte das Autohaus Karl Russ in eine Wasserstoffwerkstatt, in der die Citaro FuelCell-Busse der Stuttgarter Straßenbahnen AG gewartet werden.Foto: Daniela Haussmann

Dettingen/Nürtingen. So manchem wird ganz anders, wenn er schon das Wort „Gas“ hört. Und beim Gedanken an Fahrzeuge, die mit Wasserstoff laufen, werden Bilder an die Knallgasreaktion im Chemieunterricht wach. Doch Stefan Russ winkt ab. Für den geschäftsführenden Gesellschafter des Autohauses Karl Russ, der vor wenigen Wochen die deutschlandweit erste Wasserstoffwerkstatt in Nürtingen in Betrieb nahm, ist Panik fehl am Platz. „Die Fahrzeuge sind sicher“, betont Russ. „Wasserstoff weist eine wesentlich geringere Dichte auf als Luft und verflüchtigt sich deshalb enorm schnell.“

Der Geschäftsführer ist stolz auf seine Werkstatt, in die er im Verlauf der sechsmonatigen Bauzeit rund 70 000 Euro investiert hat. Hochvolttechniker Mario Schnaase erinnert sich noch gut daran, wie er und seine Kollegen auf dem großen Platz vor den Montagehallen bei Wind und Wetter an den Citaro FuelCell-Omnibussen der Stuttgarter Straßenbahn AG (SSB) herumgeschraubt haben. „In der beheizten Werkstatt ist es natürlich für uns alle viel angenehmer zu arbeiten“, erzählt Schnaase, der auf die drei Sensoren an der Hallendecke deutet. Der löst bei einer Konzentration von 0,8 Prozent Wasserstoff Alarm aus.

Der Hochvolttechniker simuliert den Ernstfall. Plötzlich leuchtet in der Werkstatt ein rotes Blinklicht auf und eine Sirene ertönt, plus Warnton. Gleich darauf gehen in der Halle die Lichter aus. Der Hauptstrom wird abgeschaltet. Sofort springt an der Decke mit lautem Rauschen eine Absaugvorrichtung an und die an den Wänden angebrachten Entlüftungsklappen beginnen sich automatisch zu öffnen. „Da Wasserstoff leichter als Luft ist, ist die Sicherheitstechnik im Dach verbaut“, berichtet Stefan Russ. „Das Gas kann so schnell aus der Halle entweichen.“ Die Konzentration für ein zündfähiges Gemisch liege zwischen einer Untergrenze von 4 Volumenprozent und einer Obergrenze von 75,6 Volumenprozent. „Allerdings wird diese Konzentration hier in der Werkstatt nie erreicht.“ Der Alarm wird alle vier Wochen vom Autohaus auf seine Funktionsfähigkeit geprüft und die Sensoren an der Decke von einem externen Dienstleister einmal im Jahr.

Mario Schnaase klettert die Stufen der Podestleiter hinauf, die neben einem wasserstoffbetriebenen gelben SSB-Linienbus steht. Oben angekommen, öffnet der Hochvolttechniker zwei Abdeckhauben. Denn bei dem Fahrzeug ist die Antriebstechnik der Zukunft auf dem rund 30 Quadratmeter großen Dach verbaut. Zum Vorschein kommen riesige Wasserstofftanks, in denen laut Schnaase 35  Kilogramm Gas Raum finden. „Beim Betanken der Fahrzeuge wird der Wasserstoff komprimiert“, erzählt der Techniker. „Die sieben 350-bar-Druckgastanks, in denen das Gas gespeichert wird, lassen sich in rund acht Minuten betanken.“ Mit einer Tankfüllung schafft der Citaro FuelCell-Hybrid je nach Einsatzgebiet und Außentemperatur etwa 350 Kilometer.

Spätestens halbjährlich müssen die Hochvolt- und Wasserstoffkomponenten geprüft und gewartet werden. Bevor Mario Schnaase und seine Kollegen aber Hand anlegen können, müssen sie erst einmal die Hochvoltbatterie abklemmen. Denn sie liefert dem Stadtbus rund 700 Volt Energie, die den Technikern bei ihrer Arbeit nicht gefährlich werden soll. Unter der zweiten Abdeckhaube im hinteren Bereich befinden sich zwei Brennstoffzellen in schwarzen Kisten. Dahinter ist die Kühlanlage, vier Lüfter mit Kühlermodul. „Sie sorgen dafür, dass die Brennstoffzelle bei einer Betriebstemperatur von 80 Grad arbeitet“, weiß Mario Schnaase. „In sie wird über eine Leitung der Wasserstoff eingespeist und die chemische Energie in Elektrizität umgewandelt.“ Durch die kontrollierte Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff werde Strom, Wärme und Wasser erzeugt. „Die elektrische Energie wandert in die Batterie, die auf der Hinterachse zwei Radnabenmotoren antreibt, von denen jeder eine Dauerleistung von 60 Kilowatt und eine Spitzenleistung von bis zu 120 Kilowatt liefert“, erklärt Schnaase weiter.

In den Neunzigerjahren galt Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. An der Technik wird laut Stefan Russ aber eifrig geforscht. „Ein Problem ist sicherlich das Tankstellennetz“, sagt Russ. „Eine andere Herausforderung ist sicherlich der Preis. Wie groß der Preisunterschied zum herkömmlichen Pkw sein wird, wagt Russ nicht zu prognostizieren. „Sicherlich wird zunächst nur für Firmen das Leasing interessant sein“, ist er überzeugt. „Wenn es der Politik mit umweltfreundlichen Fahrzeugen aber ernst ist, dann sollte sie auch monetäre Anreize schaffen, die fehlen bislang.“