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Musik muss eine Botschaft haben

In zwei Ländern zu Hause: der Komponist Jean Goldenbaum

Den Brasilianer Jean Goldenbaum zog es wegen der Liebe zur klassischen Musik nach Kirchheim. Foto: Deniz Calagan
Den Brasilianer Jean Goldenbaum zog es wegen der Liebe zur klassischen Musik nach Kirchheim. Foto: Deniz Calagan

Kirchheim. Er kommt aus dem Land des Fußballs und des Karnevals: Seit einem Jahr lebt Jean Goldenbaum, 32 Jahre jung, in Kirchheim, um hier seine klassische Musik zu komponieren. In Brasilien wird Musik nicht

an der Schule unterrichtet. Doch Jean Goldenbaum hatte das Glück, in den Genuss privaten Musikunterrichts zu kommen und lernte im Alter von acht Jahren die Instrumente Gitarre und Klavier, inspiriert von der europä­ischen Erziehung seiner Familie, die ihre Wurzeln in Berlin hat. Die jüdischen und an Musik interessierten Großeltern emigrierten in der Zeit der Nazi-Herrschaft nach São Paulo und hielten ihre deutsche Kultur im Exil lebendig.

So war für Jean Goldenbaum Deutschland seit jeher Heimat, das Deutsche von Anfang an eine seiner Sprachen und die Musik seine Ausdrucksform. Schon als kleines Kind habe er Melodien ausprobiert, erzählte seine Mutter, unentwegt trieb es ihn ans Klavier. Dass der hochgewachsene Mann mit 20 Jahren dann ein Studium der Kompositionslehre aufnahm, erscheint fast als zwingende Konsequenz, ebenso der Umzug nach Deutschland für die Promotion an der Universität Augsburg. Im Jahr 2014 zog er für seine Unterrichtstätigkeit nach Kirchheim.

Die halbe Stelle an der Waldorfschule lässt dem jungen Komponisten, den humanistische, ja philosophische Fragen antreiben, Raum, sich mit seinem Werk zu beschäftigen und dies täglich, fast pausenlos. „Erst wenn die Musik in meinem Kopf entstanden ist, bringe ich sie zu Papier“, erklärt er seinen Schaffensprozess. Lesend, meditierend und reflektierend widmet er sich den Fragen der heutigen Zeit und ist vollkommen überzeugt: „Meine Musik muss eine Botschaft haben, ohne eine Weltanschauung ist meine Kunst wertlos“.

So ist seine erste Symphonie, die er 2010 komponierte „Symphonie of the Good“ betitelt, eine andere Komposition heißt „May all dictators fall“. Seine Ästhetik speist sich aus Elementen des Abstrakten und des Konkreten, seinen Gedanken und seiner Musik. Beides steht im Dienste seiner Botschaft. Dabei fädelt er in seine Kompositionen immer Elemente der Tradition wie auch der Moderne ein. Sowohl Beethoven als auch Britten, Mahler oder

„Musik kann die Menschen positiv provozieren“

Schönberg haben ihn inspiriert. Im Gegensatz zum vorrangig Spektakulären der heutigen Zeit interessiert den Deutsch-Brasilianer das Gleichgewicht. Was nicht heißt, dass er nicht mit Überraschungsmomenten oder Verfremdungen arbeitet, denn „Musik hat das Potenzial, die Menschen positiv zu provozieren“, sagt er. Nur auf diese Weise könne er Denkprozesse anstoßen und etwas in Bewegung bringen.

So auch bei einer seiner aktuellen Kompositionen „Flying in higher floors“ zum Thema Demenz. Am Donnerstag, 1.  Oktober, wird das Stück für Solo-Kontrabass und Hundepfeife im Rahmen der Vernissage der Ausstellung „Spuren der Demenz“ im Klinikum Christophsbad in Göppingen uraufgeführt.

Goldenbaum nutzt diese ungewohnten Klänge, um seine Zuhörer zu locken, sich mit dem ernsten Thema zu befassen. Und wie immer hat auch dieses Werk nur den einen Sinn: das Gute in die Welt zu bringen.

Komponist Jean Goldenbaum
Komponist Jean Goldenbaum
Komponist Jean Goldenbaum
Komponist Jean Goldenbaum