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Neidlingen nimmt sich für die nächsten zehn Jahre viel vor

Entwicklung Vom Städtebauförderungsprogramm 2023 sollen bis zu 3,85 Millionen Euro in die Ortsmitte fließen. Losgehen könnte es bereits in einem Jahr.

Neidlingen. Lohnt sich der Antrag zur Aufnahme in das Städtebauförderungsprogramm für das Jahr 2023 überhaupt? Um die Neidlinger Gemeinderäte zu motivieren, blickte Matthias Weikert, Projektleiter Stadtsanierung bei der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung, zu Beginn seiner Präsentation im Ratsrund kurz auf die Ortskernsanierung der Jahre 1996 bis 2006 zurück. Damals flossen aus dem Landessanierungsprogramm rund 1,2 Millionen Euro nach Neidlingen.

Dem neue Antrag ist bereits gut vorbereitet: Ihm waren ein Bürgerworkshop und eine Videokonferenz mit virtuellem Rundgang mit dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen und dem Regierungspräsidium Stuttgart vorausgegangen. „Das Ministerium ist beeindruckt von dem, was sich Neidlingen für die nächsten zehn Jahre vorgenommen hat“, sagte Matthias Weikert.

Leitbild sei die Sicherstellung eines verträglichen Einwohnerzuwachses von zirka 0,5 bis einem Prozent pro Jahr. So könnte die Neidlinger Einwohnerzahl von heute rund 1 800 auf rund 2 000 Menschen im Jahr 2035 anwachsen. Die öffentliche und private Infrastruktur sowie der Wohnraum
 

 

Die Neidlinger Bürgerschaft weiß nicht:
Wo ist denn die Ortsmitte?
Projektleiter Matthias Weikert beklagt das Fehlen einer eindeutigen Ortsidentität.

 

müssten an die demographischen Veränderungen angepasst werden. Dazu sei vor allem seniorengerechter Wohnraum zu schaffen, so wie derzeit in der Ortsmitte. Aber es geht um noch viel mehr: „Wir brauchen Angebote für alle Altersgruppen.“

Durch Schutzgebiete sei Neidlingen in seinen Außengebieten stark eingeschränkt: „Da ist nicht mehr sehr viel, das als Baugebiet ausgewiesen werden kann.“ Daher blieben nur die Entwicklung von innerörtlichen Wohngebieten und die Nachverdichtung. Schlüssel dafür sei der der komplette Erwerb der Grundstücke durch die Gemeinde. Nur so würden Baulücken und „Enkelesgrundstücke“ vermieden. Die Zeit der klassischen Einfamilienhäuser sei eher vorbei: „Sie brauchen verdichtete Bauweisen mit Reihenhäusern und Doppelhaushälften.“

Weikert hat sich auch Gedanken zur „sozialen Infrastruktur“ gemacht. Eine „Neidlinger App“ zur Organisation von privaten Mitfahrgelegenheiten, als ein Beispiel, sei bereits in Planung, ein „Mitfahrbänkle“ ebenfalls ein gutes Angebot.

In der Neidlinger Ortsmitte wurden insgesamt 322 Gebäude kartiert. Davon wiesen 37, also 11,5 Prozent, schwerwiegende Mängel auf, ihr Erhalt ist derzeit fraglich. 131 Gebäude hatten starke Mängel, 132 Gebäude immerhin noch erkennbare Mängel.

Nur 22 der 322 Gebäude hatten keine oder nur leichte Mängel, das sind weniger als sieben Prozent. „Die Bausubstanz wurde zum Teil vernachlässigt.“ 73 Prozent der Fläche im untersuchten Gebiet befinden sich im Privateigentum. Eine eindeutige Ortsidentität fehlt laut Weikert: „Die Bürgerschaft weiß nicht: Wo ist denn die Ortsmitte? Da gibt es verschiedene Möglichkeiten.“

Die Gesamtkosten für Vorbereitungen, Grunderwerb, Ordnungs- und Baumaßnahmen bezifferte Matthias Weikert auf gut 6,4 Millionen Euro. Dabei seien maximal 3,85 Millionen Euro an Finanzhilfen zu erwarten, der höchste Fördersatz liegt bei 60 Prozent. „Sie werden das Geld nicht auf einen Schlag bekommen.“ In der Regel gebe es zum Start 700 000 bis eine Million Euro, das weitere dann nach und nach. Der Vorteil sei, dass die Förderung nicht an einzelne Bauprojekte gebunden sei. „Sie können im Rahmen der Förderrichtlinien frei darüber verfügen“, hob der Fachmann die positive Seite hervor. Peter Dietrich

Zeitlicher Ablauf: Der Antrag muss bis zum 2. November gestellt werden. Bei direkter Bewilligung, wie erhofft, wird der Bescheid um Ostern 2023 erwartet. Weiteren vorbereitende Untersuchungen sind laut Matthias Weikert dann bis Oktober 2023 geplant. Die Sanierung könnte ab November beginnen und über acht bis zehn Jahre laufen. Der Abschluss der Sanierung stehe dann voraussichtlich 2031 bis 2033 an.