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„Neue Weberei“: Wo Arbeitsplatz-Hopping gewollt ist

Wirtschaft Arbeiten, Essen, Radfahren – das ist das Konzept der „Neuen Weberei“ in Wernau, in der man ­Co-Working-Space, Café und Fahrradwerkstatt unter einem Dach findet. Von Antje Dörr

Die „Neue Weberei“ liegt etwas versteckt abseits der Innenstadt am Rand des Wernauer Industriegebiets in einem ehemaligen Fabrikgebäude. Früher produzierte die Firma Heuer in dieser Halle CNC-Frästeile für die Automobilindustrie. Seit rund anderthalb Jahren findet man hier eine Location, die Café, Co-Working-Spaces und Fahrradverkauf mit Werkstatt vereint und die man in Wernau erst mal nicht vermuten würde. 

 

Bei den wenigsten Tätigkeiten ist es so, dass ein Arbeitsplatz für den ganzen Tag der Richtige ist.
David Heidelberg, Gründer der „Neuen Weberei“
 

Die Gründer dieser Location heißen David und Svenja Heidelberg. Die „Neue Weberei“ ist nicht ihr erstes Projekt, sondern gewissermaßen aus dem Unternehmen „Touronline“ hervorgegangen, das Svenja Heidelberg als ihre „Hauptfirma“ bezeichnet. Gemeinsam mit einem wachsenden Team bieten die beiden Channel Management für die Hotellerie an: Mit ihrer Software sorgen sie dafür, dass Hotel-Kapazitäten auf Booking-Homepages korrekt angezeigt werden. 2014 zogen sie mit ihrem Unternehmen ins Obergeschoss des Wernauer Fabrikgebäudes ein. Als Heuer seine Umzugspläne bekanntgab, stand plötzlich die Chance im Raum, die Halle zu mieten. „Wir wachsen als Firma sehr stark“, sagt Svenja Heidelberg. Weil die Kapazitäten für die eigenen Mitarbeiter im Obergeschoss an manchen Tagen nicht ausreichten, entstand die Idee, die Halle zum Loft umzubauen und dort Arbeitsplätze zu schaffen und dazu ein Café, „da wir bisher auch keine Kantine hatten“. Wer viel arbeitet und gern isst, braucht Bewegung. So, und weil die Heidelbergs begeisterte Radler sind, kamen die Fahrräder ins Spiel. Aus „Work – Eat – Bike“ wurde 2022 die Weberei. 

Im Café-Bereich unterhalten sich zwei Mütter, während ihre Babys auf der Krabbeldecke liegen und fröhlich vor sich hin krähen. „An manchen Tagen müssten wir eigentlich „Work – Eat – Baby“ heißen“, sagt David Heidelberg und lacht. Aufgrund der großzügigen Fläche mit ausreichend Platz für Kinderwägen habe sich die „Neue Weberei“ zum beliebten Krabbelgruppen-Treffpunkt entwickelt. Weiter hinten in der Halle herrscht hingegen konzentrierte Stille. Einige Schreibtische sind besetzt. Bei den meisten handle es sich um Mitarbeiter ihrer eigenen Firma, die selbst entscheiden können, ob sie „oben“ arbeiten wollen oder unten im Co-Working-Space. „Externe nutzen das immer mehr, aber noch auf relativ niedrigem Niveau“, sagt Heidelberg. Im Amphitheater, das mit einer Conferencing-Anlage ausgestattet ist, können Vorträge oder andere Veranstaltungen stattfinden. Eine riesige Hängematte lädt zu kreativen Pausen oder zum entspannten Arbeiten ein. „Leider traut sich meistens keiner so richtig da rein“, sagt David Heidelberg. „Wahrscheinlich, weil man nicht faul aussehen möchte.“ 

Im Amphitheater finden Veranstaltungen und Meetings statt. Foto: Markus Brändli

Je weiter man nach sich vom Eingang entfernt, desto geschlossener werden die Arbeitsplätze. Es gibt offene Schreibtische, schallgedämmte Cubes und Sitzecken sowie isolierte Kabinen, Fischerhäuschen genannt, aus denen kein Wort dringt. „Bei den wenigsten Tätigkeiten ist es so, dass ein Arbeitsplatz für den ganzen Tag der Richtige ist“, sagt David Heidelberg. „Je nach aktueller Aufgabe oder Stimmung macht es Sinn zu wechseln, vom sehr fokussierten Arbeiten zu einem Platz, wo ich mich inspirieren lasse.“ Wer sich einmietet, bucht deshalb keinen bestimmten Arbeitsplatz, sondern ein Zeitfenster und kann vor Ort ausprobieren, was sich am besten anfühlt. Tickets gibt es tage-, wochen- oder monatsweise von 8 bis 18 Uhr. Auch 24-Stunden-Tickets sind erhältlich. Wer mit dem Rad zur Arbeit kommt, findet selbstverständlich Duschen. 

Einer, den man in Kirchheim gut kennt, hat die „Neue Weberei“ zu seinem neuen Wirkungsort auserkoren: Manuel Fumic. Der Ex-Mountainbike-Profi und Manager des Cannondale-Factory-Racing-Teams operiert mittlerweile von hier aus. In einem Bereich der Werkstatt werden die Räder aufgebaut, für die Organisation der Renneinsätze nutzt das Team den Co-Working-Space. Die spanische Fahrradmarke Mondraker werde ebenfalls einsteigen und den Vertrieb ihrer Fahrradmarke von der „Neuen Weberei“ aus machen, berichtet David Heidelberg. Sie selbst verkaufen vor Ort individuell aufgebaute Räder und Kinderräder der deutschen Marke „V-Pace“. „Man kann die Räder hier auch testen und ausleihen“, sagt Heidelberg. Der Fokus sei aber mehr auf Fahrradservice als auf -verkauf. Bei so viel Liebe zum Rad ist es eigentlich kein Wunder, dass sich die „Neue Weberei“ immer mehr zum Radler-Treffpunkt entwickelt. Ab Saisonstart werden wieder Ausfahrten für Rennradler und Mountainbiker angeboten.