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Neue Wege für die letzte Ruhe

Friedhof Die Gemeinde Dettingen prüft, ob sich auf dem Käppele ein Bestattungswald anlegen lässt. Damit wäre die Schlossberggemeinde Vorreiter im Landkreis Esslingen. Von Anke Kirsammer

1,9 Hektar groß ist die Fläche des Gemeindewaldes am Dettinger Käppele, die für einen Bestattungswald infrage kommt.Foto: Carste
1,9 Hektar groß ist die Fläche des Gemeindewaldes am Dettinger Käppele, die für einen Bestattungswald infrage kommt. Foto: Carsten Riedl

Noch gibt es im Landkreis Esslingen keinen Bestattungswald. Das könnte sich bald ändern: Die Gemeinde Dettingen überlegt, ob sie am Käppele ein Gelände ausweist, auf dem Urnen beigesetzt werden können. Doch noch sind rund um das Projekt viele Fragen offen. So muss unter anderem geklärt werden, wie der Naturschutz dazu steht und welche Auswirkungen es innerorts auf den Verkehr hat.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte Johan Homburg. Er ist als Bestatter auf den beiden Dettinger Friedhöfen tätig. „Es gibt eine enorme Nachfrage nach Naturbestattungen“, sagte er jetzt im Gemeinderat. Die nächstgelegenen „FriedWälder“ in Wangen im Landkreis Göppingen und in Münsingen auf der Alb seien relativ weit entfernt. Das Konzept von Johan Homburgs „Schwäbischen Ruhewäldern“ sieht naturnahe Bestattungen für Menschen und Tiere vor, und in den Boden dürfen ausschließlich biologisch abbaubare Urnen. Angelegt werden müsste ein Abschiedsplatz, an dem sich die Gäste bei Trauerfeiern versammeln können. Es soll Bäume für Familien oder Freunde geben und ein Webportal mit der Möglichkeit, zu kondolieren. Vorstellbar ist, Bäume dafür mit QR-Codes zu versehen. Das A und O für einen guten Standort ist die Erreichbarkeit. Notwendig sind deshalb nahegelegene Parkplätze und ein möglichst ebenes Gelände.

Bürgermeister Rainer Haußmann ist dem Projekt gegenüber aufgeschlossen. Auf den anderen Dettinger Friedhöfen ließen sich damit Kapazitäten sparen. „Es ist eine Bestattungsart mit Zukunft“, betonte er. Richtig angepackt, schreibe man damit keine roten Zahlen. Möglich sei zwar, den Bestattungswald als Gemeinde zu betreiben, er tendiert aber dazu, das Grundstück zu verpachten. „Dann liegt die Haftung beim Betreiber“, so der Rathauschef.

Dass der Trend zu alternativen Bestattungsformen geht, bestätigt Kämmerer Jörg Neubauer. Er plädiert für einen Standort in der Nähe des Parkplatzes am Käppele. Ein ebenfalls angedachtes Gelände auf dem Käppele Richtung Waldhütte hält er wegen der schlechteren Erreichbarkeit dagegen nicht für geeignet. Das sieht Revierförster Benjamin Fischer genauso: „Wir wollen nicht, dass Scharen von Autos in den Wald fahren.“

In dem favorisierten Gebiet stehen 100 bis 140 Jahre alte Bäume - überwiegend Buchen, außerdem ein paar Eichen und Nadelgehölze. „Viele möchten, dass der Wald was hermacht“, sagte Benjamin Fischer. Durch Pfade, auf denen möglichst auch Rollstuhlfahrer unterwegs sein können, sollten die Besucher gelenkt werden. Mit 1,9 Hektar ist das Areal zwar nur knapp halb so groß wie Johan Homburg es gerne hätte. Benjamin Fischer könnte sich jedoch vorstellen, den Bestattungswald um 1,3 Hektar zu erweitern. Dazu müsste sich die Gemeinde mit den Grundstückseigentümern einigen.

Unter den Gemeinderäten traf die Idee überwiegend auf ein positives Echo: Für Ulrike Schweizer beispielsweise würde ein Bestattungswald eine Bereicherung darstellen. Sie sprach sich dafür aus, den auch von der Verwaltung favorisierten Standort weiter zu verfolgen. Rainer Löw befürchtete indes eine deutliche Zunahme des Autoverkehrs in Richtung Käppele. Bei zehn Urnen pro Baum gebe es auf der knapp zwei Hektar großen Fläche bis zu 1200 Gräber. Derlei Bedenken versuchte Peter Beck zu zerstreuen. Er wies darauf hin, dass die Hinterbliebenen Bestattungswälder nicht so oft besuchen wie herkömmliche Friedhöfe. Hinterfragt werden müsse im Zuge des Projekts auch, warum die Zufahrt zum Käppele am bestehenden „neuen Friedhof“ vorbei an Sonn- und Feiertagen gesperrt ist. Da das Angebot sich auch an Auswärtige richtet, stellte sich Andreas Hummel die Frage, ob ein „Bestattungstourismus“ gewollt sei. „Jein. Es gibt ja auch Dettinger Bürger, die das wollen“, gab Rainer Haußmann zu bedenken.

Einstimmig erteilte das Ratsgremium den Auftrag, nun die nächsten Schritte zu gehen. Abgeklopft wird, welche naturschutzrechtlichen und forstwirtschaftlichen Voraussetzungen es für einen Bestattungswald braucht. Nächste Woche besichtigt der Gemeinderat die infrage kommenden Flächen. Geplant ist zudem eine Fahrt zu verschiedenen Bestattungswäldern.

Ziel sind drei Naturbestattungsplätze im Landkreis

„FriedWald“ ist als Eigenname geschützt. Deshalb spricht Johan Homburg von „Naturbestattungsplätzen“. Die Gemeinde Dettingen benutzt den Begriff des „Bestattungswaldes“. Mit seiner Idee war Johan Homburg auch an Schlaitdorf und Deizisau herangetreten. Beide Kommunen haben das Ansinnen jedoch abgelehnt. Sein Ziel ist, im Landkreis Esslingen drei Naturbestattungsplätze anzusiedeln.

In Deutschland exis­tieren gemäß Johan Homburg derzeit insgesamt rund 400 Naturbestattungsplätze. In einer Umfrage aus dem Jahr 2016 bekundeten ihm zufolge 14 Prozent der Bevölkerung Interesse an einer solchen Bestattungsform.

Dettingen hat bislang zwei Gemeindefriedhöfe. Auf dem alten Friedhof, der seit 2008 wiederbelegt wird, gibt es Urnenreihen- und Urnenwahlgräber im Stein- und Staudengarten. Der neue Friedhof wird belegt mit Urnenreihen- und Urnenwahlgräbern sowie mit Reihen- und Wahlgräbern in Grabkamern und mit Erdgräbern für Kinder. ank