Weilheim · Lenningen · Umland

Nicht allen misstrauen

Was fremd ist, macht Angst. Das ist ein uralter Impuls, einst überlebenswichtig, weil unsere Vorfahren tatsächlich nie sicher sein konnten, ob dieses Tier da drüben gefährlich ist oder jener Fremde es gut mit ihnen meint. Auch heute, in unserer zivilisierteren Welt, besteht manchmal noch Anlass, Angst vor dem zu haben, was wir nicht kennen oder einschätzen können. Aber meistens eben nicht. „Nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen“, das ist ein Satz, der uns in unserer Beziehung zu Flüchtlingen leiten sollte. Und der offenbar viele Menschen leitet. Sonst gäbe es nicht so viele Ehrenamtliche, die sich um Asylsuchende kümmern.

Ausländische Männer, die Frauen in Köln, Stuttgart und anderswo begrapschen und beklauen, machen Angst. Asylbewerber, die sich in ihren Unterkünften mit Flaschen und Eisenstangen ihre Schädel zertrümmern, auch. Wer in den Tagen nach Köln und Düsseldorf ein ungutes Gefühl hat, wenn er an einer Gruppe männlicher Asylbewerber vorbeigeht, ist kein Rassist. Aber als vernünftig denkende Menschen ist es unsere Pflicht, dieses ungute Gefühl zu hinterfragen. Schließlich gibt es auch genügend deutsche Männer, die alkoholisiert und in Rudeln Frauen an die Wäsche gehen. Kellnerinnen können zur Genüge davon berichten, wie das Oktoberfest für sie alle Jahre wieder zum Spießrutenlauf mutiert. Es gibt Frauen, die ihre Kinder töten. Und Großväter, die ihre Enkelinnen missbrauchen. Misstrauen wir deshalb pauschal allen Menschen? Wohl eher nicht. ANTJE DÖRR