Kirchheim. Im März 2013 zählte das Statistische Bundesamt in Baden-Württemberg 2 500 landwirtschaftliche Erwerbsbetriebe, die zusammen einen Ziegenbestand von 26 700 Tieren aufwiesen. Hinzu kommen nochmals so viele Ziegen von Freizeithaltern und Hobbyzüchtern, sodass der gesamte baden-württembergische Ziegenbestand etwa 50 000 Tiere beträgt.
Rund 57 Prozent aller in Deutschland gehaltenen Ziegen entfallen auf Baden-Württemberg und Bayern. Während die ökologische Ziegenmilchproduktion in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, stellt die Vermarktung der in der Zucht anfallenden Jungtiere laut Dr. Ulrich Jaudas ein Problem dar – und das obwohl Ziegenfleisch eine wertvolle und attraktive Alternative zu anderen Fleischsorten darstellt, wie der Agraringenieur aus Schlattstall betont.
Doch diese Botschaft ist beim Konsumenten noch längt nicht angekommen. Und das trotz des Trends zu Regionalität, zu gesunder Ernährung, der steigenden Nachfrage nach Bioprodukten oder der Kritik an der Massentierhaltung, in der das Fleisch quasi in Fabriken wächst. Entscheidend ist für die Mehrzahl der Verbraucher immer noch der Preis und weniger die Antwort auf die Frage, welche Nahrungsmittel aufgrund ihrer Produktionsbedingungen der eigenen Gesundheit zuträglich sind. „Tiere, die im Freiland grasen und Heu bekommen, weisen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge einen hohen Anteil an wertvollen ungesättigten Fettsäuren auf“, sagt Ulrich Jaudas. „Unterm Strich bedeutet das, dass der Verbraucher gesünder lebt, wenn er in der Ernährung zum Fleisch von Weidetieren greift.“ Allerdings verhalte sich der Konsument hier anders als er propagiert.
Caroline Hepperle aus Kirchheim kennt das aus eigener Erfahrung. Die Züchterin verlangt pro Kilo Ziegenfleisch 18,50 Euro – also ein vielfaches von dem, was beispielsweise die gleiche Menge Schweinefleisch kostet. „Im Direktverkauf haben wir Kunden, die bereit sind, tiefer in die Tasche zu greifen, weil sie Fleisch aus artgerechter und ökologischer Haltung bevorzugen“, ergänzt die Züchterin. „Aber vielen ist ein Kilopreis von 18,50 Euro zu teuer, obwohl wir in der Vollkostenrechnung selbst bei diesem Preis noch drauflegen.“ Folglich wird das Ziegenfleisch über die Milch subventioniert. Für Milch, aber auch die große Menge unterschiedlicher Käsesorten, die sich aus ihr herstellen lassen, verzeichnen Caroline und Hartmut Hepperle eine sehr gute Nachfrage.
„Aber die Kitze sind damit eher ein Abfallprodukt“, so die Züchterin. „Mancher Betrieb ist deshalb froh, wenn er es selbst zu einem geringen Preis, irgendwie mit dem Laster vom Hof bekommt.“ Denn einerseits ist eine Aufzucht in extensiver Haltung kosten-, arbeits- und zeitintensiv; andererseits stehen die Jungtiere streng genommen mit dem Landwirt im Wettbewerb um die Milch. Trotzdem kommt für die Familie Hepperle aus Respekt und Wertschätzung vor dem Tier eine Änderung ihrer Wirtschaftsweise nicht infrage. Zu ihr gehört auch die Überzeugung, dass jedes Schlachttier eigentlich von der Schnauze bis zum Schwanz verwertet werden müsste. Realisierbar sei das allerdings nicht, weil der Konsument auf Premiumstücke wie Filet, Rücken und Keule fixiert sei.
Darüber hinaus hält sich in vielen Köpfen laut Caroline Hepperle hartnäckig das Vorurteil, dass Ziegenfleisch streng schmeckt oder gar stinkt. „Das trifft aber absolut nicht zu“, wie die Züchterin aus Kirchheim klarstellt. „Es hat einen mildaromatischen Geschmack, und das gilt für junge wie auch ältere Schlachttiere.“