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Niemand soll alleine leiden

Kreuzweg Stationen in Kirchheim, die heutige Leiden und Probleme in den Fokus rücken, spannen den Bogen zum Kreuzweg Jesu. Von Katja Eisenhardt

In der Ulrichskirche beginnt der Kirchheimer Kreuzweg. Foto: Katja Eisenhardt
In der Ulrichskirche beginnt der Kirchheimer Kreuzweg. Foto: Katja Eisenhardt

Die erste von insgesamt fünf Stationen des Kirchheimer „Kreuzwegs durch die Stadt“ befindet sich in der Ulrichskirche. Der weitere Weg führte die Teilnehmer am Freitagabend über die Freihofschule, das Asylbewerberheim in der Charlottenstraße und die Krankenhauskapelle bis zur Schöllkopfkapelle am Alten Friedhof. Diese Stationen haben die Organisatoren des Liturgieausschusses von Sankt Ulrich - Heike Küfner, Barbara Schneider, Oskar Gulden und Pfarrer Franz Keil - bewusst ausgewählt. „Es geht darum, auf aktuelle Themen aufmerksam zu machen“, erklärt Pfarrer Keil die Intention. Es werden Stationen aufgesucht, an denen Leid und Leiden, Angst und Sorgen, Trauer und Einsamkeit, Lasten und Diskriminierung Thema sind, an denen die betroffenen Menschen Solidarität benötigen, wie einst auch Jesus Christus auf seinem Weg.

An alltägliche Kämpfe erinnern

An der ersten Station in der Ulrichskirche erinnert Keil auf die zentralen Worte „Ecce homo“, mit denen Pilatus den gefolterten und verspotteten Jesus der schaulustigen Menge vorführte. Ecce homo, ecce homines - „Seht den Menschen, seht die Menschen“, mit diesem Titel wurde der Kirchheimer Kreuzweg überschrieben. „Wen sehen Sie, wenn Sie sich die Situation Jesu vor der Menschenmenge vorstellen?“, fragt Keil in die Runde. Tritt vielleicht ein Mensch vor das innere Auge, der viel zu leiden hat, oder gar das eigene Leid, die Schmerzen, Ängste, Sorgen, schlaflosen Nächte und Einsamkeit? Vielen Menschen habe Jesus so sein Gesicht gegeben - bis heute.

Auf diese Menschen soll der Kreuzweg durch die Stadt aufmerksam machen, sie ins Gedächtnis rücken, damit sie und ihre alltäglichen Kämpfe nicht in Vergessenheit geraten. Seien es die Schüler und Lehrer an den Schulen, die Flüchtlinge, die fern der Heimat auf ein besseres und sicheres Leben hoffen, seien es die Kranken in den Krankenhäusern oder auch die Verstorbenen und ihre Angehörigen. „Die Stationen ließen sich sicherlich noch erweitern. Das Altenheim wäre ein ebenso passender Ort“, ergänzt Oskar Gulden.

Von der Ulrichskirche setzt sich der Zug in Bewegung. Mit dem Kreuz voran, abwechselnd getragen von den Ministrantinnen Ilaria Franke, Anna Ansorge und Theresa Besenfelder, geht es in der hellen Mondnacht zur Freihofschule. Passend zu jeder Station hat das Team einzelne gemalte Kreuzwegsszenen von Sieger Köder dabei - so etwa von Veronika, die Jesus ein Tuch reicht, um den Schweiß, die Tränen und das Blut aus dem Gesicht wischen zu können. Station Krankenhaus: Gerade dort gebe es häufig Situationen, in denen man wenig anders helfen kann als durch kleine Gesten der Menschlichkeit. Oder das Bild von Simon von Cyrene, der das Kreuz Jesu trägt, Station Asylbewerberheim: Man darf nicht wegschauen, wo Not und Elend herrschen. „Vielleicht entdecken wir Möglichkeiten, wo wir wie Simon von Cyrene Kreuze anderer mittragen können“, lautet der Appell an dieser dritten Station.

Zuvor geht es an der Freihofschule um das dreimalige Fallen des Gottessohns auf dem Kreuzweg nach Golgata, im heutigen Zusammenhang das täglich vorkommende Fallen und fallen gelassen Werden an den Schulen. „Für viele Schüler und Lehrer ist sie oftmals ein Ort der Angst, Bloßstellung, des Spotts und Mobbings. Ein Ort der Enttäuschung und des Misserfolgs“, fasst Barbara Schneider zusammen. Doch Jesus lasse jene nicht allein, die fallen. „Stärke alle, die auf ihrem Weg durch den Schulalltag mut- und kraftlos sind“, lauten an diesem Ort Zeilen des gesprochenen Gebets. Passende Worte wie diese gibt es an jeder der Stationen.

Der Kirchheimer Kreuzweg endet in der Schöllkopfkapelle am Alten Friedhof: „Jedes menschliche Leben endet mit dem Tod. Oft endet es nach einem vorangegangenen schweren Leidens- und Kreuzweg“, so Pfarrer Franz Keil. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, wird aus Psalm 22 zitiert. Trotz allem könne man auf ihn als „Solidaritätspartner“ vertrauen, der, so die Veranstalter, „all unsere Kreuze mitträgt und all unsere Leiden mitleidet.“