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Oben hakt‘s, unten läuft‘s

Politik Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich zieht seine Halbzeitbilanz der Großen Koalition.

Michael Hennrich
Michael Hennrich

Kirchheim. „Zwei so verrückte Jahre habe ich in 17 Jahren als Abgeordneter nicht erlebt. Es gab keine Phase, in der es ruhig war - es war turbulent“, fasst CDU-Bundestagsabgeordneter Michael Hennrich die erste Halbzeit der Großen Koalition zusammen. Allerdings hätten die vergangenen Tage das Verhältnis der Regierungsparteien CDU und SPD eher stabilisiert. „Beim Eckpunkt Grundrente kam ein guter Kompromiss heraus, auch wenn die Atmosphäre bis aufs Äußerte angespannt war. Ich war überrascht, wie gut es ging“, freut sich der Politiker.

Das macht deutlich, dass die GroKo „im Kern inhaltlich unheimlich viel gemacht hat“, es jedoch bei der Außendarstellung krankt. Michael Hennrich nimmt dabei beide Parteien in die Pflicht: „Die SPD ist in die Koalition reingezwungen worden und nie warm mit ihr geworden. Wir in der Union haben uns auch schwergetan.“

Für ihn gibt es zwei Symbole, die den Sand im Getriebe verdeutlichen: Die eigene Regierungspartei (SPD) macht gegen die Nominierung von Ursula von der Leyen (CDU) als EU-Kommissionspräsidentin mobil - und damit gegen eine Politikerin aus Deutschland. Das Zweite: Der Konflikt zwischen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) bezüglich der Sicherheitszone in Syrien. „Das Auftreten des Außenministers in der Türkei hat nichts mit Professionalität zu tun. Es ist kleinkariert und ärgert einen“, wird Michael Hennrich deutlich.

Umso mehr freut er sich, dass es auf der Fachebene läuft. „Oben“ sei es dagegen schwierig. Solange jedoch die Führungsfrage in beiden Parteien nicht geklärt ist, blickt er skeptisch in die Zukunft. Er sieht die Volksparteien in der Krise. „Seit zwei, drei Jahren ist das Auseinanderdriften der Gesellschaft zu spüren“, sagt er. Auf der einen Seite gibt es die urbanen, liberalen und weltoffenen Bürger, deren größte Sorge der Klimaschutz ist. Auf der anderen Seite diejenigen, die sich Sorgen um die Zukunft machen, bei denen der Wandel und Migration Existenzängste hervorrufen, was zur Rückbesinnung auf das Nationale führt. Ein Politikstil des Pragmatismus einer Angela Merkel sei da nicht mehr angesagt - auch wenn er viele Vorteil habe: Er führe nicht zur Spaltung der Gesellschaft. „Die Menschen wollen heute Führung und klare Kante. Der Kompromiss als Klebstoff der Demokratie ist in Verruf geraten“, bedauert Michael Hennrich.

Ob die GroKo die zweite Halbzeit komplett durchhält, hängt seiner Ansicht nach davon ab, wie sich die SPD entscheidet. „Wenn man eine Veränderung will, muss das in den ersten sechs Monaten 2020 passieren. Im zweiten Halbjahr hat Deutschland den EU-Ratsvorsitz - und da kann man sich keine Neuwahlen leisten“, steht für Michael Hennrich außer Frage.

Aus seiner Sicht muss die Union um die 30-Prozent-Marke hart kämpfen. Er warnt vor allzu großen Flügelkämpfen zwischen Werteunion und Großstadtklientel. Die CDU brauche dringend jemand an der Spitze, der auf beide Milieus ausstrahlt und neue Themen platziert. Der Abgeordnete nennt offen seine Wünsche. Er kann sich Jens Spahn oder Markus Söder gut an der Spitze vorstellen. Friedrich Merz sieht er im Wirtschaftsressort ideal positioniert, Annegret Kramp-Karrenbauer im Sozialen. „Dann wären wir gut aufgestellt. Es wäre eine gute Linie, die wir auch nach außen verkaufen könnten“, ist er überzeugt. „Schließlich muss der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken“, sagt Michael Hennrich.

Seinen Wahlkreis verliert er trotz überaus spannender Zeiten in Berlin nicht aus den Augen, weiß um die Sorgen der Maschinenbauer im Fahrwasser der Autoindustrie - und dass die Menschen die Fragen rund um die medizinische und pflegerische Versorgung drückt. Ob er nochmals für den Bundestag kandidiert, will Michael Hennrich im Januar bekannt geben. Iris Häfner