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„Oma, mir ist was Schlimmes passiert“

Abzocke Der Enkeltrick bleibt für Betrüger eine der beliebtesten Maschen. Aber auch gefälschte Mails von Banken sind im Umlauf. Betroffene sollten einen Betrug immer bei der Polizei melden. Von Lena Bautze

Das Telefon klingelt, nichts ahnend nimmt die 84-jährige Rentnerin ab. „Oma, mir ist etwas ganz Schlimmes passiert. Ich hatte einen Autounfall und brauche jetzt Geld für den Mechaniker“, klingt eine junge Stimme schluchzend und weinend aus dem Hörer. Es müsse schnell gehen, fügt der Anrufer hinzu: „Aber nix Mama und Papa sagen. Das muss unter uns bleiben.“ So viel Geld wie möglich soll die Rentnerin abheben und warten, bis der Mechaniker vorbeikommt und die Scheine mitnimmt.

Dieser letztlich gescheiterte Enkeltrick geschah im November 2019 einer Frau aus Weilheim. Den Namen möchte die Familie nicht nennen, aber trotzdem darauf aufmerksam machen, dass es jeden treffen kann. „Klar wussten wir von der Enkeltrickmasche, aber meine Mutter war sich sicher, dass es ihr nicht passieren kann“, sagt der Sohn. Trotzdem ist die Rentnerin in die Falle getappt. Sie glaubte dem vermeintlichen Enkel seine Lage und wollte bei ihrer Bank 20 000 Euro abheben.

Die Mitarbeiterin am Schalter war jedoch skeptisch und kontaktierte den Sohn der Seniorin: „Ich habe natürlich gesagt, dass das nicht sein kann“, erklärt er. Auch die alarmierte Polizei ging von einem Betrugsversuch aus und wollte den Täter auf frischer Tat ertappen. Doch beim nächsten Anruf des „Enkels“ versprach sich die 84-Jährige und der Anrufer legte auf. „Sie stand zu diesem Zeitpunkt immer noch unter Schock“, sagt ihr Sohn. Auch noch Tage danach hat sie nicht verstanden, was eigentlich passiert war. „Sie hat immer wieder gefragt, wie es ihrem Enkel geht. Er hatte ja diesen Unfall.“

Jetzt, fast eineinhalb Jahre später, weiß sie natürlich, was damals passiert ist. Die Weilheimerin ist bei weitem nicht das einzige Opfer eines Enkeltrick-Betrügers. Laut dem Polizeipräsidium Reutlingen wurden 2019 245 versuchte und acht vollendete Straftaten durch Enkeltrickbetrüger gemeldet. „Die Fallzahlen für 2020 sind noch nicht offiziell freigegeben, jedoch leicht angestiegen gegenüber 2019“, sagt Polizeisprecher Michael Schlüssler.

Diesen Anstieg merkt auch Michael Aspacher, Abteilungsleiter Compliance der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. „Die Betrugsfälle haben deutlich zugenommen“, sagt er. Das Thema sei aber nicht präsent genug „Wir haben Broschüren, die nicht mitgenommen werden oder gleich in den Papierkorb wandern“, erklärt er. Dafür seien die Angestellten sehr sensibilisiert worden für das Thema: „Die Mitarbeiter wissen, wie das Verhalten der jeweiligen Kunden ist“, sagt er. Wenn ein Rentner plötzlich mehrere Tausend Euro abheben möchte, werden sie sich nach dem Grund erkundigen. „Wir fragen lieber einmal zu viel nach als zu wenig“, betont Aspacher. „Wenn dann die Dinge nicht plausibel sind, melden wir das auch der Polizei.“

Vor knapp zwei Wochen war eine Kreissparkassen-Mitarbeiterin in Esslingen sehr aufmerksam und verhinderte, dass eine Seniorin um mehrere Tausend Euro betrogen wurde. Eine 21-Jährige hatte sich am Vormittag telefonisch bei der Seniorin gemeldet und vorgegeben, die Enkelin zu sein. Für angebliche Mietzahlungen benötige sie mehrere Tausend Euro und die Rentnerin wollte ihr helfen. Tatsächlich erschien wenig später ein 21-Jähriger angeblicher Freund der vermeintlichen Enkelin, um das Geld zu nehmen. Nachdem die Frau das Geld aber noch auf der Bank hatte, begleitete der Tatverdächtige die Frau zur nächsten Filiale. Dort schöpfte der Mitarbeiter wegen der hohen Bargeldsumme Verdacht und rief die Polizei. Der Mann wurde dann festgenommen und auch seine Komplizen wurden gefasst.

Selten werden alle gefasst

Dass alle Täter und Mittäter gefasst werden, ist laut der Polizei eher selten: „Oft gelingt es lediglich, den Abholer des Geldes festzunehmen. Die Ermittlungen zu den Hintermännern sind ungleich schwieriger“, sagt Michael Schlüssler. Der illegale Weg zum Geld der Sparerinnen und Sparer muss aber nicht unbedingt über den emotionalen und persönlichen Kontakt führen. Auch gefälschte Mails von Banken mit der Aufforderung, Daten herauszugeben, sind im Umlauf. „Die sehen täuschend echt aus“, heißt es bei der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, Nicht nur das: Die Betrüger seien sogar in der Lage, bei einem Anruf die Telefonnummer von Kreissparkassenmitarbeitern im Display erscheinen zu lassen. Als Faustregel gilt: Sparkassen- oder Bankmitarbeiter würden niemals per Mail oder am Telefon Kunden nach persönlichen Daten fragen. Die hätten sie im Notfall auch selbst zur Verfügung, heißt es bei der Kreissparkasse. Generell rät die Polizei: Wer sich nicht sicher ist, sollte auflegen, die Nummer aufschreiben und die Polizei alarmieren.