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Ort der Inspiration bleibt erhalten

Geschäftsübergabe Einen nahtlosen Übergang gibt es in der Buchhandlung neben der Kirchheimer Stadtbücherei. Katrin Hörcher ist die neue Chefin, Roland Schöllkopf betreibt weiterhin das Antiquariat. Von Iris Häfner

Roland Schöllkopf hat seine Buchhandlung an die langjährige Mitarbeiterin Katrin Hörcher (Mitte) übergeben. Die neue Chefin wird
Roland Schöllkopf hat seine Buchhandlung an die langjährige Mitarbeiterin Katrin Hörcher (Mitte) übergeben. Die neue Chefin wird künftig von ihrer Freundin Marianne Endermann unterstützt. Foto: Mirko Lehnen

Nach 34 Jahren ist das Kapitel Buchladen für Roland Schöllkopf abgeschlossen. In über drei Jahrzehnten hat er der Buchhandlung mit Antiquariat und Verlag seinen ganz speziellen Stempel aufgedrückt, ihn zu einer Institution in Kirchheim, einem Treffpunkt für Literaturfreunde gemacht. Das Schöne: Das nächste Kapitel ist schon aufgeschlagen, es geht mit Katrin Hörcher weiter.

Auf die Idee, eine Buchhandlung zu eröffnen, hat ihn sein Schulfreund Thomas Roos gebracht, der den Bücherwurm in Göppingen betrieb. „Ich dachte, das könnte ich auch ein paar Jahre machen - und dann sind es 34 Jahre geworden“, ist Roland Schöllkopf selbst verwundert über diese Konstanz, war er bis dahin doch eher ein Lebenskünstler mit Jobs wie Lkw-Fahrer, Ausgräber beim Denkmalamt oder Briefträger. Im Bücherwurm ließ er sich eine Woche einarbeiten und übernahm im März 1983 Mäbis Buchladen in der Kirchheimer Max-Eyth-Straße. Als Dauerleser traute er sich eine kompetente Beratung seiner Kundschaft ohne weiteres zu. „Ich hatte als Schüler und Student immer ein Reclamheft in der Hosentasche und lese heute noch in jeder freien Minute“, erzählt er.

Die Klassiker stehen bei ihm hoch im Kurs, zu denen für ihn Theodor Fontane, Thomas Mann und Hermann Hesse gehören, aber auch englische und amerikanische Autoren wie Herman Melville oder Bruce Chatwin. Aktuell liegt der Roman Middlemarch der englischen Autorin George Eliot (1819 - 1880) griffbereit auf dem Esstisch. Dazwischen darf es Shakespeare und der eine oder andere Science-Fiction- oder Fantasy-Roman sein. Gedichte wie von Rilke, Hölderlin, Keats oder Baudelaire lernt er gerne auch auswendig. Ein paar Hundert hat er dank seines guten Gedächtnisses im Repertoire, die er gerne bei seinen einstündigen Joggingrunden rezitiert. „Es ist schön, wenn man solch einen Schatz in sich trägt. Das ist anders, als wenn man die Kleinode nur liest - es gehört zu einem und lebt weiter“, sagt Roland Schöllkopf.

Schon ist er bei einem weiteren Lieblingsthema: den schwäbischen Schriftstellern. „Die schwäbische Landschaft ist eine besondere. So viele Schriftsteller - wer hat das schon? Quasi in jedem Örtle könnte eine Pfarrerstochter gelebt haben, in die Mörike verliebt war. Und dann das Tübinger Stift: Hegel, Hölderlin und Schelling in einem Zimmer.“

Seine Liebe zur Region spiegelt sich in den Regalen der Buchhandlung wider. Bücher über die Alb gehören dazu, aber auch die heimischen Autoren. Peter Härtling hat er persönlich gekannt. „Der lokale Bezug war mir immer wichtig. Das ist auch der Grund, warum ich den Verlag gegründet habe“, erklärt er. Das erste Buch war „Lulu“ von Hermann Hesse, das ihm bis heute das liebste seiner Eigengewächse ist, zu denen unter anderem „Die alten Häuser von Kirchheim“ von Ottilie Wildermuth oder „Verzauberung“ von Ludwig Finckh gehören. Weil es davon nur antiquarische Exemplare gab, hat sich der Buchhändler kurzerhand an den Computer gesetzt und Satz für Satz abgeschrieben.

Zweimal ist Roland Schöllkopf mit seiner Buchhandlung umgezogen. Über den Schlossplatz ist der 63-Jährige in das jetzige Domizil neben der Stadtbücherei gezogen. „Zuvor war dort der T-Punkt. In der ersten Zeit kamen immer wieder Leute in den Laden und haben mir ihre kaputten Telefone auf den Tresen gelegt“, erinnert er sich und auch daran, dass in der Max-Eyth-Straße gleich mehrere Aschenbecher in der Buchhandlung standen. „Da wurde viel geraucht. Wenn man zur Tür rein kam, konnte man vor lauter Qualm nichts sehen“, kann er heute nur noch den Kopf schütteln. Eines hat sich in den 34 Jahren jedoch nicht verändert: „Ich wollte einen Ort der Inspiration und der geistigen Begegnung schaffen. Alle sollen sich willkommen fühlen.“ Von einer Oase der Ruhe oder einer geistigen Tankstelle sprachen manche Kunden. „Diese Atmosphäre hat die Buchhandlung am Leben erhalten“, ist er nicht erst seit Amazon-Zeiten überzeugt.

Unterschriftenlisten gegen die Schließung des Alten Friedhofs oder die Nordwesttangente lagen bei ihm aus, und die Protestzettel gegen die Volkszählung konnten bei ihm abgegeben werden. „Dass ich einen linken Buchladen betreibe, habe ich nie gerne gehört. Mir ging es um eine Qualitätsbuchhandlung mit individueller Auswahl“, erklärt er.

So ganz weg ist er noch nicht. Das Antiquariat betreut er gemeinsam mit Uschi und Bernd Löffler vom Antiquariat im Lenninger Tal weiter. So wird er auch weiter Nachlässe vor Ort sichten und dabei Bilder regionaler Künstler an den Wänden sehen. Das eine oder andere nimmt er in Kommission, bevorzugt Werke von Karl Weber, Franz Frank oder Konrad Raum. „Das hat sich zwischenzeitlich herumgesprochen“, freut sich Roland Schöllkopf.

Nahtloser Übergang

Katrin Hörcher hat die Buchhandlung von ihrem einstigen Chef übernommen. Für die Kunden ist sie daher keine Unbekannte, über 20 Jahre vertrat sie regelmäßig und eigenständig Roland Schöllkopf. Als die Buchhandlung noch am Schlossplatz beheimatet war, arbeitete sie schon stundenweise dort. „Ich glaube immer noch nicht ganz, dass das jetzt mein Laden ist. Das ist irgendwie ein ganz anderes Gefühl beim Aufschließen der Tür“, sagt Katrin Hörcher.

Die Resonanz der Kunden ist durchweg positiv, alle freuen sich, dass die etwas andere Buchhandlung weiter besteht. Ein bisschen wird sie sich verständlicherweise verändern. So hat Katrin Hörcher verstärkt regionale Künstler in ihrer Auslage. Es finden sich Keramik, Skulpturen und Tuschemalerei in den Regalen, ebenso CDs. Ein Schwerpunkt wird weiterhin die Heimat mit ihren Autoren und der Landschaft sein.

Ein neues Gesicht wird ab September im Laden zu sehen sein: Marianne Endermann unterstützt und vertritt ihre langjährige Freundin in der Buchhandlung. „Ich bin eine Quereinsteigerin“, verrät die begeisterte Vielleserin. ih