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Panik ist fehl am Platz

Im Umgang mit Wespen und Hornissen kommt es auf das richtige Verhalten an

Wespe, Hornisse und Co. wecken nicht bei jedem Menschen Sympathien. Pauschal werden sie als gefährlich und schädlich eingestuft, dabei sind die ­Insekten wertvolle Nützlinge, die eine wichtige Funktion im Naturhaushalt erfüllen. Sollten sie sich einmal im Rollladenkasten einquartieren, raten Experten dazu, weder vorschnell noch eigenmächtig zu handeln.

Wespen (oben) und Hornissen sind ungeliebte Gäste.Fotos: Jean-Luc Jacques (oben) und Dieter Ruoff
Wespen (oben) und Hornissen sind ungeliebte Gäste.Fotos: Jean-Luc Jacques (oben) und Dieter Ruoff

Kirchheim. Jeden Sommer summt und brummt es im Garten. Mit steigenden Temperaturen tauchen in Gärten, auf Balkonen und Terrassen vermehrt Wespen und Hornissen auf. Ungefragt nehmen sie am Kaffeekränzchen unter freiem Himmel teil oder quartieren sich in Rollladenkästen ein. Ulrich-Karl Hartmann vom Landratsamt Esslingen rät deshalb dazu, ab Mai Rollladenkästen im Blick zu behalten.

Wer feststellt, dass diese öfter von den Insekten angeflogen werden, sollte über die zentrale Rufnummer des Landratsamtes Kontakt zur Unteren Naturschutzbehörde suchen und sich beraten lassen. Denn bei einer häufigen Frequentierung sei nicht auszuschließen, dass sich Untermieter im Rollladenkasten einquartieren. Wenn sich entsprechende Insekten-Aktivitäten frühzeitig entdecken lassen, könnten Nester noch relativ einfach umgesiedelt werden.

Wolf Rühle zufolge sollte nicht vorschnell zu Gift und Insektenklatsche gegriffen werden. Der Umweltbeauftragte der Stadt Kirchheim betont, dass Hornissen Nützlinge sind, die Insekten erbeuten. Blattläuse, Wespen, Raupen oder Aas stehen laut Wolf Rühle unter anderem auf ihrem Speiseplan. Deshalb haben sie Rühle zufolge auch gar kein Interesse an den Getränken und Süßspeisen auf dem Kaffeetisch. „Diese locken vielmehr die Gemeine Wespe und Deutsche Wespe an“, so der Umweltbeauftragte. „Deshalb sollten Lebensmittel im Freien abgedeckt werden.“

Wespen stechen, sobald sie sich bedroht fühlen. Deshalb empfiehlt der NABU, heftige Bewegungen oder panische Reaktionen zu vermeiden. Normalerweise reagieren die Hautflügler bei der Nahrungssuche nicht aggressiv. Sie wehren sich dem Naturschutzbund zufolge erst, wenn sie um ihr Leben bangen. Außerdem rät die Organisation davon ab, die Tiere wegzupusten. Das im Atem enthaltene Kohlendioxid gelte im Nest als Alarmsignal und versetze die Hautflügler in Angriffshaltung. Von den Nestern sollte laut Wolf Rühle Abstand gehalten werden. „Wird die Flugbahn dorthin nicht versperrt, fühlen sich die Tiere auch nicht bedroht“, erklärt er.

Als einzige Wespenart fliegen Hornissen auch bei Nacht – folglich sammeln sie sich an erleuchteten Fenstern, Party- und Hauseingangsbeleuchtungen. Dauerhafte Beleuchtungen sollten dem NABU zufolge deshalb schwach ausfallen, beispielsweise durch die Verwendung von LED- oder Punktstrahlern. Wer sich an der Lichtfarbe nicht störe, sollte Natriumdampflampen wählen, deren Lichtspektrum für nächtliche Insekten schlecht wahrnehmbar ist.

Wer die Tiere vom Esstisch fernhalten will, dem rät Wolf Rühle zu einer Ablenkfütterung durch Fallobst in einem abgelegenen Teil des Gartens. Zwei Schülerinnen fanden bei einem Experiment für „Jugend forscht" he­raus, dass sich überreife Trauben dazu am besten eignen. Unverdünnte Marmelade oder reiner Honig eigenen sich laut NABU nicht zur Ablenkung, weil sie die Tiere aggressiv machen. Ulrich-Karl Hartmann betont, dass ehrenamtliche Hornissen- und Wespenfachberater mit Rat und Tat weiterhelfen. Allerdings könnte es mehr von ihnen geben. Wer sich für diese Aufgabe interessiert, kann sich bei der Umweltakademie Baden-Württemberg, die entsprechende Lehrgänge anbietet, informieren.

Weitere Infos gibt es unter www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/hautfluegler/wespen-und-hornissen/02624.html

Hornisse auf Apfel angebohrt, 04.10.2011, Ruoff-albpluto
Hornisse auf Apfel angebohrt, 04.10.2011, Ruoff-albpluto

Gefährlich wird's ab 100 Stiche

Wie gefährlich sind Hornissen und Wespen tatsächlich?

WOLF RÜHLE: Das Sprichwort „Sieben Hornissenstiche töten ein Pferd und drei Stiche einen Menschen“ ist schlichtweg falsch. Hornissen und Wespen sind nicht völlig harmlos, aber sie sind bei Weitem nicht so gefährlich, wie allgemeinhin behauptet wird.

Das heißt?

RÜHLE: Ein gesunder Mensch müsste nach wissenschaftlichen Erkenntnisse mehr als 100 Mal gestochen werden, bevor er in Lebensgefahr schwebt. Lediglich Personen, die eine Allergie aufweisen, sollten sich in Acht nehmen und zum Arzt gehen. Gerade einmal zwei bis drei Prozent aller Gestochenen reagieren allergisch. Hornissen sind ausgesprochen friedfertig und ihr Stich ist weniger giftig als der von Honigbienen.

Darf zur Giftkeule gegriffen werden, wenn Nester im Garten oder am Haus entdeckt werden?

RÜHLE: Grundsätzlich ist es laut Naturschutzgesetz verboten, wild lebende Tiere und Pflanzen einfach zu beseitigen. Wer also ein Wespennest im Garten hat, darf nicht einfach eigenmächtig handeln. Es muss eine starke Beeinträchtigung vorliegen, und Betroffene sollten bei Fachleuten Hilfe suchen, die Wespen oder Hornissen umsiedeln. Da die Hornisse aufgrund ihrer Gefährdung unter besonderem Schutz der Bundesartenschutzverordnung steht, bedarf es einer Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde, um die Tiere umzusiedeln.

Also dürfen auch Fachleute Hornissennester nicht einfach beseitigen.

RÜHLE: Nein, das dürfen sie nicht. Außerdem benötigen Fachleute, die eine Umsiedlung durchführen, einen entsprechenden Befähigungsnachweis, den sie nach dem Besuch eines entsprechenden Lehrgangs an der Umweltakademie Baden-Württemberg erhalten. Grundsätzlich gilt, dass die Abtötung eines Hornissennestes nicht zulässig und strafbar ist.

Wird ein Nest im Folgejahr wieder bezogen?

RÜHLE: Ein Hornissenvolk existiert ungefähr sechs Monate. Im Mai beginnt die Königin mit dem Aufbau eines Volkes. Spätestens Anfang November ist das gesamte Volk abgestorben, wobei die jungen Königinnen überwintern und im nächsten Jahr ein eigenes Volk in einem neuen Nest aufbauen. Es muss also niemand Angst haben, dass Hornissen zu dauerhaften Untermietern werden. Da aber andere Insekten das verlassene Nest zur Überwinterung nutzen, sollte es erst im Frühjahr entfernt werden.