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Perfektion aus Holz

Handwerk Mit seinem raffinierten Meisterstück hat der reiselustige Schreiner Matthias Kurth den ersten Platz ergattert. Von Alicia Kaiser

Durch außergewöhnliches Design und Materialien unterscheidet sich der „Mini-Desk“ von herkömmlichen Möbeln.  Foto: Markus Brändl
Durch außergewöhnliches Design und Materialien unterscheidet sich der „Mini-Desk“ von herkömmlichen Möbeln. Foto: Markus Brändli

Seine Leidenschaft hat Schreiner Matthias Kurth zum Beruf gemacht. „Ich hab‘ schon immer gern mit Holz gearbeitet“, sagt er. Im Jahr 2003 fing er seine Schreinerlehre an, seit diesem Jahr ist er Meister. Er hat seine Prüfung bei der Handwerkskammer Stuttgart aber nicht einfach nur bestanden, sondern für sein Meisterstück, den „Mini-Desk“ den ersten Preis verliehen bekommen. Unter 45 Prüflingen in seinem Jahrgang setzte er sich als Bester durch.

„Die Meisterprüfung zu machen, war eher so eine Schnapsidee“, erzählt der Ötlinger. Seine Frau habe ihn überzeugt, diese Herausforderung anzugehen. Seit acht Jahren sind die beiden verheiratet. Er ist gebürtiger Ötlinger, sie stammt aus Costa Rica. Kennengelernt hat er sie auf einer Reise nach Kolumbien. „Sie konnte ich einfach nicht dort lassen“, meint der glückliche Ehemann. Kolumbien war jedoch nicht das einzige Fleckchen Erde, das er als junger Mann erkundet hat.

Nach seiner beendeten Ausbildung wollte er erst mal raus in die Welt. Er besuchte Länder wie Indien und Neuseeland. Auf seinen Reisen sah er auch die weniger glamouröse Seite der Länder, wie beispielsweise die indischen Slums. „Wir haben Glück gehabt, dass wir in Deutschland geboren sind“, sagt er im Hinblick auf seine Reiseerfahrungen. „Wenn du in Indien in ein Krankenhaus kommst, wollen die erstmal deine Kreditkarte sehen“, fügt er hinzu und sagt weiter. „Wir haben hier einen Luxus, den viele nicht zu schätzen wissen.“ In Neuseeland hat er als junger Mann ein Jahr lang als Schiffsbauer gearbeitet. „Ich war ziemlich verwöhnt von den Werkstätten, die man aus Deutschland kennt“, gibt der Schreinermeister zu. Am anderen Ende der Welt musste er lernen zu improvisieren. Durch die Arbeit mit den Einheimischen hat er aber nicht nur handwerklich viel dazu gewonnen, sondern konnte auch sein Englisch verbessern.

„Ich will meine Fähigkeiten an Menschen weitergeben, die in der ersten Lotterie des Lebens nicht so viel Glück hatten“, sagt Matthias Kurth. Deshalb ist es die Vision des 34-Jährigen, ein soziales Projekt im Ausland ins Leben zu rufen. Dabei helfen ihm die Erfahrungen aus der weiten Welt, aber auch das Wissen aus der Meisterschule. Die musste er ein Jahr lang besuchen, bevor er zur Prüfung antreten konnte. „Da bin ich ziemlich am Anschlag gewesen“, gibt Matthias Kurth zu. Für ihn war es eine riesige Umstellung, nach so langer Zeit wieder die Schulbank zu drücken.

Ein Jahr Verdienstausfall, das Geld für die Schule und die Materialkosten in Höhe von 2 000 Euro - das bedeutete die Meisterprüfung für den Schreiner. Für den Vater eines siebenjährigen Sohnes war sie aber auch der Schlüssel zur Selbstständigkeit. Zwar hat er durch die Eigenständigkeit nicht weniger Arbeit, aber er kann sich seine Zeit so einteilen, wie er es für sinnvoll hält. Den Meister freut es, dass er so Arbeit und Familie gut unter einen Hut bringen kann. „Bei schönem Wetter muss ich nicht unbedingt arbeiten“, sagt er.

Sein Meisterstück, der sogenannte „Mini-Desk“, ist ein besonders hochwertiger Schreibtisch in elegantem Design. Die Tischplatte kann durch einen Mechanismus zur Seite gezogen werden. Im Inneren ist Platz für den Laptop, der dank eingebautem Stromanschluss auch gleich dort geladen werden kann. An der Vorderseite hat der Tisch zwei Schubladen, die man durch magnetische Abtrennungen individuell anpassen kann. Sogar ein Geheimfach ist dadurch möglich.

2 000 Arbeitsstunden hat Matthias Kurth in diesen Tisch gesteckt - alles ganz ohne computergestütztes Fräsen. Selbst die technischen Zeichnungen, die mitbewertet werden, hat Matthias Kurth komplett von Hand gezeichnet. Er hat besonders hochwertige Materialien verwendet zum Beispiel für die matte, schmutz- und wasserabweisende Oberfläche. Nicht einmal Fingerabdrücke sind auf ihr zu sehen. Ein Großteil des Tisches ist außerdem aus altem Holz gefertigt. „Ich steh‘ total auf das Altholz und das Neue“, erklärt der Ötlinger. Teil der Aufgabe war es auch, einen imaginären Kunden zu erfinden, für den das Einzelstück angefertigt wird. Der ausgedachte Käufer des „Mini-Desks“ sammelt Rennräder aus Carbon. Deshalb sind Carbonsehnen in die Tischbeine und die Platte eingelassen.

Das Meisterstück des Familienvaters ist bis ins letzte Detail geplant. Sogar die Schubladenzüge sind aus Holz und von Hand gefertigt - echte Präzisionsarbeit. Die Ansprüche der Prüfer an der Handwerkskammer sind hoch. „Die wollen zum Beispiel keine Schrauben sehen, deshalb muss man das Projekt so raffiniert wie möglich gestalten“, erklärt der ehemalige Prüfling. Nach vielen Jahren im Handwerk sagt der frisch gebackene Schreinermeister: „Ich habe einfach die Liebe zu dem Beruf gefunden.“