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„Pilgern beginnt an der Haustür“

Wanderung Rainer Hauenschild betreut als neuer Wege-Pate den Jakobsweg von Plochingen nach Bodelshofen. Für das kommende Jahr plant er eine große Pilgerreise durch Frankreich, Spanien und Portugal. Von Thomas Krytzner

Pilgerweg, Santiago, Hauenschild
Rainer Hauenschild steht an der Beschilderung am Otto-Steg am Bruckenwasen in Plochingen. Foto: Thomas Krytzner

Pilger sind seit der Spätantike unterwegs. Selbst die Teilnehmer der Kreuzzüge ins Heilige Land verstanden sich damals als bewaffnete Pilger. Zu den bekannten Pilgerstrecken gehört der Jakobsweg, der von vielen Teilen Europas nach Spanien führt. Dort gehört Santiago de Compostela seit dem neunten Jahrhundert zu den berühmten Pilgerstätten. Große und bedeutende Streckenabschnitte des Jakobsweg führen auch durch Baden-Württemberg, die stilisierte Jakobsmuschel weist den Wanderern den Weg.

Für den Fotoreporter Rainer Hauenschild gewann die Muschel seit dem Jahr 2016 an Bedeutung, als dieser bei Wanderungen in der Schurwaldregion immer wieder dem Symbol begegnete. „Ich wollte mehr über den Jakobsweg erfahren und sammelte in Büchern und in den sozialen Medien weitere Informationen.“ Es folgte ein näherer Kontakt mit der Jakobsweg-Gesellschaft und Rainer Hauenschild war vom Wegenetz durch die Region Esslingen so begeistert, dass er beschloss, sich ehrenamtlich als Wege-Pate für einen Teilabschnitt zu engagieren. „Seit einigen Tagen betreue ich jetzt die Strecke von der Plochinger Ebene bis nach Bodelshofen“, freut sich der Journalist.

Eine große Umstellung bedeutet das Ehrenamt zwar nicht, aber es gibt doch einiges zu tun. „Ich kontrolliere den Weg zwischen Plochingen und Bodelshofen, schaue, ob die wegweisenden Muschelsymbole ausgebleicht oder zugewachsen sind. Gleichzeitig will ich aber auch Ansprechpartner für die vielen Pilger sein, die sich auf den Weg machen.“

Für Rainer Hauenschild ist klar, dass er den Jakobsweg bewerben will. „Ich bin auf meinen Wanderungen oft mit der Kamera unterwegs. Die schönsten Bilder und Videos stelle ich ins Netz.“ Ein schönes Erlebnis, gleich zu Beginn seiner neuen Tätigkeit als Wege-Pate beflügelt ihn: „Ich begegnete einer Familie aus Wüstenrot, die bis nach Rottenburg am Neckar pilgerte. Ich konnte den vier Kindern und den Eltern Plochingen etwas näherbringen und ihnen den begehrten Pilgerstempel der Neckarstadt besorgen.“ Mit dem Pilgergruß „Buen Camino“ wünscht er der sechsköpfigen Familie einen guten Weg.

Großes Ziel für 2021

In diesem Jahr will Rainer Hauenschild die Jakobswege in der Region bewandern und im kommenden Jahr steht die große Pilgerreise an. „Ich bin noch unschlüssig, ob ich den Weg durch Frankreich an der Atlantikküste oder über die Pyrenäen gehen will. Zur Auswahl steht auch noch der Teilabschnitt ab dem portugiesischen Porto bis nach Santiago de Compostela.“ Zwei Wochen Auszeit will sich der 52-jährige Freiberufler für seine Reise nehmen. „Für mich heißt Pilgern nicht nur losgehen, mit dem Ziel Santiago de Compostela, sondern auch zur Ruhe zu kommen und abzuschalten.“ Für ihn ist Pilgern aber auch Herausforderung. „Man bringt den Körper an die Grenzen und dennoch gibt das Pilgern Kraft und Energie.“ Er freut sich darauf, andere Kulturen kennenzulernen. „Die Völkerverständigung ist mir als Europäer wichtig.“

Diese Kraft durfte Rainer Hauenschild bereits auf seinen verschiedenen Wanderungen in der Region erleben. „Ein Weg von Schanbach zum Karlstein führte mich aus dem Wald, direkt auf die Aussichtsplattform. Der Blick ins Remstal war beeindruckend“, schwärmt der frisch gebackene Wege-Pate. Aber auch die Gotteshäuser, die kleinen Kapellen und die Wegekreuze seien immer wieder ein fantastischer Anblick. Am liebsten ist Rainer Hauenschild allein unterwegs. So plant er es auch auf der „großen“ Pilgerreise. „Es bleibt zwar vermutlich nicht aus, dass man anderen Pilgern begegnet, aber um abzuschalten, gehe ich den Jakobsweg allein.“ Trotzdem freue er sich auf regen Austausch mit anderen Leuten in den Herbergen. Die Pilgertage in der Region sieht er als Trainingszeit, auch wenn er längst nicht alle Wege ablaufen kann. „Das nächste Ziel ist der Weg von Neckartailfingen nach Rottenburg.“

Informationen rund um die Pilgerwege in der Region

Von Rothenburg ob der Tauber führen zwei verschiedene Jakobswege nach Rottenburg am Neckar. Die Westroute führt über Endersbach und Stetten nach Esslingen, Neckartailfingen nach Rottenburg und die Ost Route gabelt sich in Endersbach Richtung Schanbach und führt über Plochingen, Bodelshofen nach Rottenburg.

Ein weiterer Wegabschnitt beginnt in Neresheim, tangiert Göppingen und führt dann über Bodelshofen nach Rottenburg. Die Jakobskirche in Bodelshofen wird somit zum Treffpunkt der Jakobswege in der Region.

Im Kreis Esslingen wurden die Jakobswege im Jahr 2004 wiederbelebt und in Göppingen im Jahr 2008. Sie folgen zwar den früheren Handelswegen in der Region, lehnen sich aber stark an die Reise des Apostels Jakobus an, der zu den bekanntesten Heiligen weltweit gilt. Seine Einäscherung erfolgte in Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens. Seitdem gilt der Ort als berühmte Pilgerstätte.

Jakobus begegnet den Pilgern in der Region immer wieder: In Notzingen gibt es die Jakobuskirche, in Bodelshofen bei Wendlingen wurde die Jakobskirche zu Ehren des Apostels erbaut und in Frickenhausen und Oberensingen sprudelt Wasser aus dem Jakobsbrunnen. In Esslingen zeugen Skulpturen von Jakobus bei der Frauenkirche von seinem Wirken und in der St.-Dionys-Kirche findet man Reliefs mit dem Muschelsymbol.

Auf den genannten Pilgerwegen gibt es günstige Übernachtungsmöglichkeiten. Die Adressen dazu findet man im Pilgerführer, der in den meisten Buchhandlungen vorrätig ist. Eine Besonderheit ist der Gesundheitspfad auf dem Göppinger Jakobsweg. Mittlerweile gibt es offene Treffen der Pilgerstammtische, unter anderem auch in Esslingen. Der nächste ist für den Mittwoch, 12. August, ab 17.30 Uhr im Café der Salzbrise, Blumenstraße 45 geplant.

Weitere Informationen gibt es unter: www.jakobsweg-gp.dekry