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Plötzlich sind alle wieder Anfänger

Austausch Talkrunde zu Entscheidungen in der Corona-Pandemie eröffnet die Kulturtage.

Regionalbischöfin Gabriele Arnold. Foto: pr
Regionalbischöfin Gabriele Arnold. Foto: pr

Wendlingen. Sollte die Corona-Zeit wirklich dafür sorgen, dass Politiker, Unternehmer und Kirchenvertreter Klartext reden, hat das Virus zumindest etwas Gutes. Bei einer Talkrunde im Treffpunkt Stadtmitte in Wendlingen jedenfalls wurde nicht um den heißen Brei herumgeeiert. Niemand wich den Fragen aus, die der evangelische Pfarrer Peter Brändle als Moderator stellte. Keiner fiel dem anderen ins Wort. Ja mehr noch, zwischen Brändles Gästen - Regionalbischöfin Gabriele Arnold, Gemeindetagspräsident Roger Kehle, Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel und Klaus Winkler, dem Geschäftsführer der Maschinenfabrik Heller - entstand ein echtes Gespräch.

Die Wendlinger Kulturtage, die kurzfristig auf die Beine gestellt wurden, mit einer Podiumsrunde zu eröffnen, war gewiss ein gewagtes Unterfangen. Allein, es ist geglückt und so boten sich den Besuchern spannende Einblicke in die Erfahrungen und Handlungen, die Entscheidungsträger in der ersten Phase der Corona-Pandemie gemacht haben.

„Und plötzlich waren wir alle wieder Anfänger“ lautete der Titel des Abends und rasch wurde deutlich, dass dies selbst für Routiniers gilt. In einer „völlig neuen Situation“, wie Brändle das Herunterfahren nannte, „wurden Fehler gemacht, aber es wurde auch schnell gelernt“. Diese „Lernerfolge“ bezogen sich auf all das, was auf einmal möglich war: Homeoffice statt Präsenzpflicht, Videokonferenz statt Geschäftsreise, Kreativität statt Starrheit. „Ich hatte gedacht, beruflich schon alles erlebt zu haben. Dann habe ich gelernt, das man immer weiterlernen muss“, sagte Roger Kehle. „Und weil es noch nicht vorbei ist, sehe ich mich nach wie vor als Lehrling“, ergänzte Klaus Winkler. Steffen Weigel verwies auf das Positive: „Es ist Unvorstellbares passiert. Doch die Menschen haben das mitgetragen.“

Dass es an vielen Stellen einen Nachholbedarf gebe, habe die Corona-Krise ebenfalls gezeigt, betonte Gabriele Arnold. Etliche Fragen seien noch offen, etwa die, wie mit älteren Menschen umgegangen werde, wie man auf Neues reagiere und was wirklich wichtig sei. Klaus Winkler verlieh der Bundesrepublik für den Umgang mit dem Virus eine Silbermedaille. „Wir haben zwei bis drei Wochen verloren, weil das Thema zunächst nicht ernst genommen wurde.“ Zugleich stellte der Unternehmer klar, dass Fragen übrig blieben. Zugleich stellte der Unternehmer klar, dass Fragen übrig blieben. „Braucht es Konsequenzen für das globale Wirtschaften? Muss das medizinische System verbessert werden? Sollten wir Sparmaßnahmen überdenken?“ Winklers Entschlossenheit zeigte, dass er diese Fragen mit einem Ja beantworten würde.

Sparen hilft nicht

Einigkeit auf dem Podium herrschte, dass es trotz möglicher magerer Jahre nicht helfen werde, gegen die Krise anzusparen. Gabriele Arnold plädierte dafür, dass die Kirche mithelfen solle, die Wirtschaft wieder flott zu machen, indem sie investiere. Klaus Winkler will alle Modelle nutzen, um möglichst vieles abzufedern, um den Wohlstand für die Nachfolgegenerationen zu sichern, auch wenn Deutschland nicht mehr „Exportweltmeister“ sei

Roger Kehle und Steffen Weigel blickten ebenfalls in die Zukunft und verwiesen auf die Kommunen, die Hauptbetroffene der Krise seien. Weigel sprach von einem coronabedingten Ausfall für Wendlingen von 6,5 Millionen Euro, „weshalb ein Hilfspaket wichtig ist, um bei Investitionen nicht sparen zu müssen“.

Es gab viele Informationen und Nachdenkenswertes an diesem Abend. Der einhellige Tenor lautete dabei, das wirklich Wichtige in den Mittelpunkt zu stellen, wie Pfarrer Peter Brändle zusammenfasste. Überlegungen, was das sein kann, konnten die Besucher schon zwischendurch anstellen. Das Duo Vocal Affair sorgte für musikbetonte Pausen, in denen man sich kurz besinnen konnte. Andreas Pflüger