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Podiumsdiskussion: Kirche soll bunter und bissfest werden

Vision Bei der Podiumsdiskussion zum Jubiläum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde im Steingauzentrum stehen gesellschaftliches Engagement und die Zukunft der Kirche im Fokus. Von Helga Single

Wie bleibt die Kirche zukunftsfähig im Angesicht der gro­ßen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Pandemie, Klimawandel, Digitalisierung oder Flüchtlingsströmen? Darüber diskutierten Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader, Michael Krimmer, Pfarrer an der Kesselkirche in Stuttgart, Sara Moll, Influencerin und Friseurin aus Lenningen, Hanna Ratter, die Theater- und Sonderschulpädagogin und tätig im Jugendbereich der Gemeinde ist, sowie Pastor und Autor Dr. Stefan Vatter aus Kempten, der den Abend moderierte. Streckenweise philosophisch wurde darüber diskutiert, welche Werte die Gesellschaft
 

 

„Wer Schöpfung bewahren will
ohne den Schöpfer, ​​​​​​ist bald erschöpft.
Dr. Stefan Vatter
Pastor und Autor

 

braucht und wie es weitergehen kann mit Schöpfung und Kirche.

Mit der Frage, welche Werte in der heutigen Zeit unverzichtbar sind und wie sie vermittelt werden, eröffnete Dr. Stefan Vatter die Runde. Vor allem Vertrauen, Toleranz und Dankbarkeit seien unverrückbare Werte einer jeden Gesellschaft, darüber waren sich die Teilnehmer einig. „Diese Eigenschaften entspringen unmittelbar dem Glauben“, meinte Pfarrer Krimmer. „Zur Entscheidung, was gutes und schlechtes Handeln ist, hat Gott das Gewissen als Kontrollmechanismus eingerichtet. Doch am Ende muss jeder Rechenschaft vor einer höheren Instanz abliefern“, sagte der Pfarrer.

Aber was passiert, wenn man das Gewissen verliert? Sara Moll fand, dass „geerntet wird, was gesät wurde“, und Hanna Ratter gab zu bedenken, dass Wertvorstellungen in den Kulturen unterschiedlich seien und es Aufgabe der Kirchen in einer pluralistischen Gesellschaft sei, Toleranz der Einheit der Gesellschaft zuliebe auszuhalten. Ein Gewissen müsse gebildet und vermittelt werden, weil Menschen egoistisch geboren würden, was sie als Pädagogin jeden Tag in der Kita beobachte.

Laut Oberbürgermeister Bader wird moralisches Handeln in den Familien gelebt und gelehrt. Für ihn stand die Nächstenliebe, die er mit „Herzensoffenheit“ umschrieb, im Wertekanon an erster Stelle. Das Maß an Aggressivität gegenüber denen, die in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen, hätte in letzter Zeit zugenommen. Das bekomme auch er zu spüren. „Ein rauer, unhöflicher Ton herrscht. Das ist keine Art und Weise, wie man miteinander umgeht“, mahnte das Stadtoberhaupt. „Ich weiß, dass es der andere nicht persönlich meint. Man muss sich in ihn hineinversetzen und verstehen, was ihn antreibt, und nach Lösungen suchen.“ Hier sei ein sachlicher Diskurs angebracht.

Das zweite große Thema an diesem Abend wurde mit der These: „Wer Schöpfung bewahren will ohne den Schöpfer, ist bald erschöpft“ von Dr. Stefan Vatter in den Raum gestellt. Einen klaren Auftrag zum sozialen Engagement für das Gemeinwohl leitete Pfarrer Krimmer davon ab. Jeder Einzelne könne sein Talent einbringen, beispielsweise in Organisationen wie Greenpeace, Pro Asyl, WWF.

Gewerbegebiet oder Acker?

Ganz konkret tauchte die Frage am Ende der Veranstaltung aus dem Publikum an Oberbürgermeister Bader auf, wie man sich für Kirchheim am besten engagieren könnte. Möglichkeiten sah er beim Thema Bildung, Erziehung und Kinderbetreuung. „Oder sich mutig einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzustellen und verschiedene Meinungen zu akzeptieren“, sagte er. Wobei er persönlich nicht immer ganz sicher sei, was das Beste für die Stadt ist. Manchmal hadere er mit der Frage, ob es das Gewerbegebiet oder der Acker sei. Als Wermutstropfen empfinde er, dass die Kirche sich nicht gesellschaftskritisch positioniere. Eine Stellungnahme zum Impfen habe er nirgends gelesen. Genau das sei eine schwierige Aufgabe, denn Vertrauen und Hoffnung auf Gott seien entscheidende Grundpfeiler. Wenn sich die Teilnehmer was wünschen dürften, sehe die Kirche der Zukunft bunter, digitaler, kreativer, begeisterungsfähig, nach vorn gerichtet und vielleicht ein wenig „bissfester“ aus.