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Postbote schafft Kunstbrezeln

Jürgen Roesner ist in Dettingen bekannt wie ein bunter Hund

Der Dettinger Jürgen Roesner pendelt zwischen Beruf und Berufung. Er ist Postbote, Künstler und Schöpfer der Kunstbrezel.

Postbote schafft Kunstbrezeln
Postbote schafft Kunstbrezeln

Dettingen. Die halbe Woche arbeitet Jürgen Roesner als Briefzusteller bei der Deutschen Post in Dettingen, in der übrigen Zeit ist der künstlerische Autodidakt meist in seinem Atelier zu finden. Besonders mit seinen Brezelobjekten erregt er Aufsehen, seit Kurzem ist er damit sogar im Brezelmuseum vertreten.

Die Leidenschaft für die Kunst, seinen „Herzensberuf“, wie er es nennt, hatte Roesner schon immer. Schon als Kind zeichnete er gern oder formte Figuren aus Lehm. Doch seine ökologische Seite und die Liebe zur Natur ließen ihn zunächst einen anderen Weg einschlagen. Jahrelang musste die Kunst deshalb hinter dem Beruf des Landschaftsgärtners und Baubiologen zurückstehen – bis dann um die Jahrtausendwende der künstlerische Drang zu groß wurde und Roesner entschied, seiner Leidenschaft den nötigen Platz in seinem Leben einzuräumen. Von der Kunst hat der 60-Jährige seither nicht mehr gelassen, mit zwei bis drei Ausstellungen pro Jahr ist er sehr produktiv.

Mit einem Vollzeitjob war das allerdings nicht zu schaffen. Seit neun Jahren verdient sich Roesner deshalb seinen Lebensunterhalt bei der Deutschen Post. Als Briefzusteller in Teilzeit ist er die halbe Woche auf dem Fahrrad in seinem Zustellgebiet und Wohnort Dettingen unterwegs, die übrige Woche bleibt ihm für seine Kunst. Auch wenn der Job körperlich anspruchsvoll ist, schätzt Roesner, dass er unterwegs sein eigener Herr sein kann, und er mag den Kontakt zu den Kunden. Der ein oder andere erkennt in seinem Postboten inzwischen auch den Künstler – und das liegt vor allem an den Brezeln – denn Jürgen Roesner ist vor allem für seine originellen Brezelobjekte bekannt.

Dabei kam er eigentlich durch einen Zufall zu seinem ungewöhnlichsten Arbeitsmaterial: Roesner hatte eine Brezel in seinem Holzbackofen vergessen und bemerkte den Fehler erst, als der Geruch des vollkommen verkohlten Laugengebäcks durch die Wohnung zog. Als er sich die kohlrabenschwarze Brezel genauer ansah, entdeckte er etwas Besonderes in ihr, das ihn nicht mehr losließ: Die Brezel als Kunstobjekt war geboren.

Seither hat Roesner um die 50 Objekte und Tableaus mit und aus Brezeln erschaffen und das beliebte Gebäck in ganz unterschiedlicher Weise künstlerisch interpretiert: Mal setzt er der Brezel Teufelshörner auf, mal lässt er sie holografisch funkeln, mal wird sie in Pop-Art-Manier bunt bemalt. Immer aber schimmert in den Brezelobjekten Roesners feiner Sinn für Humor durch. „Ich hatte schon immer einen Hang zum Skurrilen“, verrät er. Dennoch ist die Brezel für ihn mehr als nur ein witziges Objekt. Er hat ihre Geschichte und die Legenden, die sich um die Brezel ranken, ausgiebig studiert. So erinnern etwa seine bunten Brezeln nicht zufällig an Ostereier, die Brezel hat historisch tatsächlich einen Bezug zum Osterfest: Sie wurde eine Zeit lang traditionell zum Fastenbrechen gegessen. Nicht nur die Geschichte, auch die Symbolik der klassischen Brezelform fasziniert Roesner: „Die liegende Acht, die man in der Brezel erkennen kann, ist ja auch das Unendlichkeitszeichen“, erklärt er. Ein schlechtes Gewissen muss Roesner übrigens nicht haben, wenn er mit Essbarem arbeitet: Sein Material besteht aus alten Brezeln, die höchstens noch als Tierfutter getaugt hätten.

Die Kunstbrezeln haben Roesner einiges an Öffentlichkeit eingebracht. Kürzlich war das Fernsehen bei ihm zu Besuch. Und seit Anfang Juli sind einige seiner Objekte im ersten deutschen Brezelmuseum in Erdmannhausen zu sehen. Dennoch möchte Jürgen Roesner nicht auf seine Brezelkunst reduziert werden, schließlich macht er noch so viel anderes.

Als Künstler ist Roesner äußerst vielseitig, was Techniken und Materialien angeht: Zeichnungen, Grafiken, Kollagen und Objektkunst finden sich gleichermaßen in seinem Portfolio. Besonders gerne arbeitet er mit Naturmaterialien wie Gemüsewurzeln, aber weil ihn Gegensätze anziehen, kommen auch mal Plastiktüten zum Einsatz. Eine Vorliebe hat er auch für Kunst aus bereits existierenden Objekten, die er neu zusammensetzt oder in ungewohnter Weise interpretiert – insofern ist die Brezel dann doch ein sehr typisches Roesner-Objekt.dp