Weilheim · Lenningen · Umland
Rehkitze vor dem Tod gerettet

Tiere Mit Drohne und Wärmebildkamera suchen Jägerinnen und Jäger im hohen Gras nach jungen Rehen. In Nabern konnten zwei Kitze geborgen werden. Von Katharina Daiss

Es ist viel zu früh am Morgen eines Feiertags und noch so kalt, dass sich das Tragen der dick gefütterten Jacke lohnt. Aber die unangenehmen Wetterbedingungen sind ideal, um mit der Drohne nach Rehkitzen im hohen Gras zu suchen. In wenigen Stunden wird die Sonne den Boden aufgewärmt haben und die Landwirte kürzen mit ihren Kreiselmähern das hüfthohe Gras auf wenige Zentimeter. Das messerscharfe Mähwerk würde den Tod für die kleinen Rehkitze bedeuten, die erst im Mai auf die Welt kamen und noch keinen Fluchtreflex entwickelt haben.

Ich bin mit Thomas Doll und Wilfried Daiss, den beiden Pächtern des Naberner Jagdreviers, verabredet. Am Vorabend hat ein Landwirt die beiden Jäger darüber informiert, welche Wiesen er mähen will. Sie suchen wir systematisch ab. Thomas Doll steuert die Drohne. Mit leisem Surren hebt sie ab. Der Boden ist dank der kalten Morgenluft noch kühl, die warmen Tierkörper zeichnen sich deshalb noch gut ab. Wilfried Daiss und ich behalten den kleinen Monitor scharf im Blick, auf den die Wärmebildkamera ihre Aufnahme überträgt. „Stopp, da ist was!“, ruft der Jäger neben mir nach wenigen Minuten. Fast weiß leuchtet ein kleiner Punkt auf dem Bildschirm. Thomas Doll lässt die Drohne sinken, um ein besseres Bild zu bekommen. Nur noch wenige Meter schwebt die Drohne über der Fundstelle. Plötzlich springt der weiße Punkt auf und rast davon. „Das war ein Hase“, sind sich die Pächter einig. Der ist nicht viel größer als ein Kitz, kann dem Mähwerk aber spielend leicht davonlaufen.

Der Boden wärmt sich in der Sonne langsam auf, es wird immer schwieriger, Kitze vom Boden zu unterscheiden. Wir haben schon gut die Hälfte der zweiten Wiese durch, als plötzlich wieder ein kleiner weißer Punkt aufleuchtet. Wieder senkt sich die Drohne bis auf wenige Meter herab. Diesmal sind wir uns sicher: Da liegt ein Kitz! Jetzt kommt mein Einsatz. Mit Latexhandschuhen und einer mit Gras ausgefütterten Wanne ausgerüstet bahne ich mir meinen Weg durchs hohe Gras. Die in der Luft stehende Drohne weist mir den Weg. Vorsichtig drücke ich das Gras auseinander - und da liegt es und schaut mich an. Vorsichtig hebe ich es hoch. Selbst durch die Handschuhe kann ich erahnen, wie warm und weich sein Fell ist. Es ist federleicht und hält ganz still. „Völlig chancenlos gegen das Mähwerk“, denke ich, während ich es in die Wanne lege und aus der Wiese trage. Im gegenüberliegenden Weizenfeld lassen wir es frei.

Währenddessen kreist die Drohne über der Fundstelle des Kitzes. Wir wollen sichergehen, dass wir kein Geschwisterchen übersehen haben. Nach wenigen Minuten finden wir noch ein Kitz. Zum zweiten Mal schnappe ich mir Wanne und Handschuhe und stapfe durchs hohe Gras. Wieder liegt ein wenige Tage altes Reh unter der Drohne. Wieder hebe ich es hoch. Doch diesmal ist das Kitz unruhig. Ihm gefällt es überhaupt nicht, durch die Gegend getragen zu werden, aber es einfach wieder ins Gras zu legen ist keine Lösung. Seine Mutter steht unruhig ein Stück entfernt, beobachtet die Situation. Ich lege das zappelnde Kitz gut sichtbar für sie in ein Weizenfeld. Die beiden Pächter haben mittlerweile die übrige Wiese abgeflogen und kein Kitz mehr entdeckt. Für diesen Tag ist die Suche beendet. Nach der Mahd teilt der Landwirt den Pächtern mit, dass in den von uns abgeflogenen Wiesen keine Kitze mehr waren. Der frühe Morgen in der Kälte hat sich wirklich gelohnt.