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Rückspiegel besser im Vorratspack kaufen

Selbstversuch Trubel trotz Tempo 30: Wer an der Durchfahrtsstraße in Notzingen einige Zeit verbringt, versteht den Unmut der Anwohner. Von Melissa Seitz

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Eine Umfrage zur Lärmsituation in Notzingen im Teckboten sorgte für Diskussionsstoff. Fast 5 000 Menschen haben den Artikel auf Facebook gelesen, 22 User kommentierten, und mehrere Anrufe erreichten die Redaktion am Morgen nach der Veröffentlichung. Grund genug, um die Lärmsituation in Notzingen einmal selbst mitzuerleben.

Volker Unthan wohnt direkt an der Kirchheimer Straße, dort, wo die Menschen noch mal extra aufs Gas drücken, um auch ja den Berg hochzukommen. Mit einem Kaffee in der Hand sitze ich mit dem Notzinger also auf einer Bank vor seinem Haus. Es ist 15.30 Uhr und noch relativ leise, und nur einige Autos fahren ab und zu vorbei. „Sie müssen abwarten. Das wird sich bald ändern“, warnt mich Volker Unthan. Und schon nach ein paar Minuten rast das erste Auto vorbei - aber wohl kaum mit Tempo 30.

Dabei steht direkt vor seinem Haus das berühmt-berüchtigte 30er-Schild. „Ach, das wurde auch schon mal he­rumgedreht, sodass man das Schild nicht mehr lesen kann“, erklärt mir der Notzinger.

Leere Lkw-Transporter sorgen für Lärm

Während wir unseren Kaffee trinken, kehrt plötzlich Stille ein. Kein Auto ist weit und breit in Sicht, und siehe da - der Frühling lässt sich auch hier kurz blicken. Die Vögel zwitschern und es riecht einen Moment lang mal nicht nach Abgasen. Die Mess-App auf meinem Handy zeigt 62 Dezibel an. Nicht wirklich leise, aber auch nicht laut - ertragbar trifft es wohl eher. Aber die Anzeige der App ändert sich schlagartig, als das nächste Auto vorbeirast: 75 Dezibel. Doch es geht noch lauter. Einige Zeit später bahnt sich ein Schwertransporter seinen Weg durch Notzingen, und das gefühlt nicht mit den verordneten 30 Kilometern pro Stunde. 86 Dezibel - angenehm ist das auf keinen Fall. Doch die Transporter machen viel mehr Lärm, wenn sie leer sind.

Aber auch die Schlaglöcher und Gullydeckel tragen ihren Teil bei. Als ein Nachbar vorbeikommt, erfahre ich, dass kürzlich ein klappernder Gully repariert wurde. Die Straße ist relativ schmal. Der Notzinger erklärt: „Die Lkws müssen ganz nah am Bordstein fahren.“ Logische Schlussfolgerung: Die Deckel gehen kaputt und klappern.

Es ist kurz vor 16 Uhr, und nun erlebe ich das, wovon die Notzinger ein Lied singen: Rushhour und Kolonnen-Bildung. Um mir zu zeigen, was passiert, wenn ein Auto zu so einer Zeit am Straßenrand steht, parkt ein Anwohner sein Auto direkt vor meiner Nase. Mutig, denn: Eine Reihe von Rückspiegeln haben diese Park-Entscheidung nicht überlebt. Kolonnen bilden sich wegen dem Gegenverkehr nicht nur hinter seinem Auto, sondern auch hinter jedem, der wirklich das Tempolimit einhält. Der Rückspiegel bleibt dieses Mal verschont.

Bewusstsein schärfen für das Tempolimit

Volker Unthan gibt zu, dass es schwierig ist, Tempo 30 einzuhalten. Doch eines ist ihm wichtig: „Ich will, dass die Menschen sich bewusst werden, welche Geschwindigkeit sie fahren und was das für Auswirkungen hat.“ Er möchte nicht mit erhobenem Zeigefinger die Menschen warnen, sondern einfach das Bewusstsein für das Tempo­limit schärfen. Der Notzinger weiß genau, an wen er sich mit dieser Aussage richtet - und zwar an seine Mitbürger. „Ich kenne sehr viele aus Notzingen und weiß, dass sie bewusst schneller fahren“, erklärt er, „denn sie wissen, dass die Blitzer nicht funktionieren. Und wenn es einen mobilen Blitzer gibt, dann steht der immer an derselben Stelle.“

Sommerabende sind für mich perfekt, um sich an ein gemütliches Plätzchen zu setzen und das bunte Treiben zu beobachten. Ein gemütliches Plätzchen ist der Hof von Volker Unthan und seinen Nachbarn auf jeden Fall, auch Action findet man hier reichlich. Aber mit einem Glas Wein will ich persönlich einen warmen Sommertag auf dieser Bank nicht verabschieden.

Nach diesem Selbstversuch werde ich wohl bewusster durch Notzingen fahren. Denn wenn man in seinem Auto sitzt und die Kirchheimer und Hochdorfer Straße entlangfährt, ist einem gar nicht bewusst, was der falsche Gang, eine zu hohe Geschwindigkeit und der Tritt aufs Gaspedal für einen Lärm machen.