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Schafe ersetzen den Rasenmäher

Christbaumkultur Auf dem Speisezettel der Shropshire-Schafe steht kein Tannenreisig. Jürgen und Andreas Hermann halten sie deshalb zwischen ihrenen Weihnachtsbäumen. Von Karin Ait-Atmane

Jürgen Hermann mit seinen Shropshire-Schafen.Fotos: Karin Ait-Atmane
Jürgen Hermann mit seinen Shropshire-Schafen. Foto: Karin Ait-Atmane
Achtung Määäharbeiten! Das steht auf einem Banner an der Weihnachtsbaumpflanzung zwischen Wernau und Notzingen. Wer das „Mäh“ ganz langsam und laut ausspricht, kann vielleicht sogar einen der mähenden Arbeiter zwischen den Bäumen hervorlocken: Es sind Shropshire-Schafe, die hier im Nadelwäldchen weiden. Seit eineinhalb Jahren setzen Jürgen und Andreas Hermann auf die wolligen Vierbeiner.
Erfreuen Passanten: Die Shropshire-Schafe in der Notzinger Weihnachtsbaumplantage.
Erfreuen Passanten: Die Shropshire-Schafe in der Notzinger Weihnachtsbaumplantage. Foto: Karin Ait-Atmane

Man sieht zwar vor lauter Tannenwald die Schafe nicht, doch Jürgen Hermann weiß sie aus der Reserve zu locken. „Ja komm, ja komm!“, ruft er, als er das Grundstück betritt, und schon tauchen zwischen den Bäumen vier kräftige Schafe auf. Sie verharren kurz, sehen dann, dass der Mensch einen schwarzen Plastikbottich dabei hat und fallen in den Laufschritt: Es könnte ja was Leckeres drin sein. Tatsächlich hat Hermann getrocknetes Brot dabei, das die Schafe einträchtig und in aller Ruhe verspeisen.
Von den 500 bis 600 Schafrassen weltweit ist die Rasse Shropshire die einzige, von der man sicher weiß, dass sie keine Nadelgehölze anknabbert. „Das ist eigentlich durch Zufall entdeckt worden“, sagt Jürgen Hermann, der mit seinem Bruder Andreas Anfang 2018 die Weihnachtsbaumzucht von Herbert und Kunigunde Böbel – Onkel und Tante – übernommen hat. Für die Brüder ist der Nebenerwerb Hobby und Ausgleich zum Bürojob. Viel Handarbeit ist nötig, zumal die Grundstücke nach vielen Jahren Christbaumzucht recht dicht und unregelmäßig bepflanzt sind. Mit Maschinen ist da kein Durchkommen, und auf Pestizide, Insektizide, Unkrautvernichtungsmittel, Pilzmittel und Glyphosat verzichten die Brüder. Das ist keineswegs selbstverständlich, „es gibt überhaupt keine Richtlinien, was an die Weihnachtsbäume hin darf“, sagt Jürgen Hermann. Daran denkt man nicht, wenn man sich irgendwo schnell einen Weihnachtsbaum holt.
Ein Notzinger Schaf.
Ein Notzinger Schaf. Foto: Karin Ait-Atmane

Die vierbeinigen Rasenmäher funktionieren jedenfalls gut. Nur ganz selten habe schon mal eins an einem Nadelbaum geknabbert. Das sei dann meist ein gelangweilter Bock. Die Shropshires liefern zusätzlich zum Kompost, der ausgebracht wird, natürlichen Dünger für die Bäume, stören mit ihrem Hufgetrappel die Wühlmäuse und verdichten deren Gänge.
Auf drei Weihnachtsbaum-Pflanzungen und einem Solarpark in Gruibingen weiden die Schafe. Insgesamt sind es knapp 20 Stück: Mutterschafe, Jungtiere und ein Zuchtbock aus England, wo die Rasse ihren Ursprung hat. Zu viele Jungböcke führen zu Unfrieden in der Herde, deshalb werden die meisten von ihnen verkauft, sei es für die Zucht oder als Schlachttier, denn eigentlich handelt es sich um Fleischschafe.
Auch wenn ihre Halter sie als „recht pflegeleicht“ einstufen, steckt schon einiges an Arbeit in der Schafhaltung: Man muss sie im Frühjahr scheren, mit Bitterkräutern entwurmen, die Klauen schneiden und die Weibchen jedes Jahr decken lassen, damit sie nicht fett werden. Und dann den Nachwuchs großziehen. Wenn man zutrauliche Schafe will, „muss man sehr viel Zeit mit ihnen verbringen“, sagt Jürgen Hermann. Oder öfter mal was Leckeres mitbringen, wie es Kunigunde Böbel tut: Sie stand der Tierhaltung anfangs sehr skeptisch gegenüber, ist mittlerweile aber der größte Fan der lebenden „Wollebobbel“. „Wenn sie kommt, dann rasten die Schafe komplett aus“, berichten ihre Neffen.
Schon den ganzen Dezember gibt es in der früheren Gärtnerei Böbel in der Ulrichstraße in Wernau heimische Weihnachtsbäume zu kaufen. Am Sonntag, 15. Dezember, laden Jürgen und Andreas Hermann erstmals zum „Selbstschlagevent“ in ihrer Christbaumkultur an der Ötlinger Straße zwischen Notzingen und dem Kreisverkehr am Freitagshof ein. Dann kann man mit der ganzen Familie einen der Bäume aussuchen und vor Ort umsägen oder umsägen lassen.