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Scheitern an Schulden oder durch Sparen?

Generaldebatte des Kirchheimer Gemeinderats zeigt das Dilemma der städtischen Finanzen auf

Wohnungsnot, neue Schulden, höhere Steuern – was viele Privatleute vor große Schwierigkeiten stellt, war auch das beherrschende Thema bei der Generaldebatte des Kirchheimer Gemeinderats zum Haushalt 2016.

Andreas Volz

Kirchheim. „Kirchheim läuft unausweichlich in die Schuldenfalle“, warnte Ralf Gerber (Freie Wähler). Nicht auszudenken sei es, würde auch noch die Wirtschaft ins Stottern geraten. Auch Klaus Buck (CDU) sieht in der Tatsache, dass 2016 kein Betrag zur Finanzierung der Tilgungen und Investitionen erwirtschaftet wird, eine „nicht akzeptable Perspektive“. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Walter Aeugle, beklagt die fehlende Nachhaltigkeit, weil es nicht gelungen sei, trotz Klausurtagungen zum Thema „Sparen“ und trotz höherer Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze eine „wirkliche Verbesserung unserer Ergebnis-Haushalte“ zu erreichen.

Sabine Bur am Orde-Käß, die Grünen-Fraktionsvorsitzende, verwies auf die letzten drei Haushaltsjahre ohne Neuverschuldung und stellte fest: „Damit stehen wir finanziell im Vergleich zu anderen Großen Kreisstädten gut da.“ Sabine Lauterwasser (Frauenliste) betonte die Kehrseite des Sparzwangs: „Oft ist die teurere Variante nachhaltiger und auf längere Zeit gesehen günstiger“. Grundsätzlich stellte sie fest: „Eine Stadt, die sich nicht mehr entwickelt, weil gespart wird, ist nicht die Zukunft.“

Albert Kahle (FDP/KiBü) erinnerte an Leitgedanken aus seiner Schulzeit, bei denen es unter anderem heißt: „Verzichte auch auf Dinge, die du gerne haben möchtest, dir aber nicht leisten kannst.“ Auch er beklagte, dass der Gemeinderat nach fünf Klausurtagen tatsächlich „nichts“ eingespart habe. Hans Kiefer (CIK) sprach sich beim „Sparen“ dafür aus, Lebenszyklen von Bauwerken zu betrachten und somit gegebenenfalls „heute mehr auszugeben, um künftig dadurch noch mehr zu sparen.“

Wie aber die Einnahmen steigen sollen, dafür gibt es unterschiedliche Ansichten. Die Erhöhung der Grund- und der Gewerbesteuer befürworten beispielsweise Freie Wähler und Grüne. Die CDU lehnt eine höhere Grundsteuer ab, weil sie im Widerspruch mit dem Leitbild stehe, „nach dem in Kirchheim Familien von ihrem Einkommen leben können sollen“. Auch bei der Gewerbesteuer sieht sie das Problem, dass Leistungsträger nur noch mehr belastet werden. Die FDP/KiBü fordert ohnehin seit Jahren, dass „nicht immer nur Gebühren und Steuern angehoben werden – zu Lasten der Bürger“. Das gebührenfreie erste Kindergartenjahr einkommensabhängig wieder abzuschaffen, ist ausdrückliches Ziel der Freien Wähler, der CDU und der FDP/KiBü. Die SPD wiederum lehnt diese Streichung ab, und die Grünen sehen „beim Ausbau der Bildungsangebote und der frühen Förderung“ einen ihrer Schwerpunkte.

Um das Haushaltsdefizit auszugleichen, fordert Albert Kahle, bei den Ausgaben zu sparen und „unnötige Stellen“ bei der Stadt abzubauen. Hans Kiefer glaubt dagegen „zu hundert Prozent“, dass die Stadtverwaltung tatsächlich dieses oder jenes nicht mehr leisten könne – „wegen Überlastung der entsprechenden Ämter“. Sparen will er bei Hoch- und Tiefbau, indem zwei bis drei Prozent der dafür vorgesehenen Ausgaben gestrichen werden. Sabine Lauterwasser sieht gar die Notwendigkeit, neue Stellen zu schaffen, und fordert: „Wer Personalkosten sparen will, muss definieren, auf welche Leistungen er in Zukunft verzichten möchte.“

Eine der dringlichsten Aufgaben der Stadt sahen alle Redner im Schaffen neuen Wohnraums – einerseits für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen, andererseits aber auch die Schaffung bezahlbaren Wohnraums für junge Familien. Ralf Gerber klagte über ständig steigende Mieten, wenn überhaupt noch Wohnungen zu finden seien. Außerdem prangerte er beim Wohnungsbau „die völlig verfehlte Planungspolitik der Verwaltungsspitze“ an. Klaus Buck will trotz der Priorität der Anschlussunterbringung für Flüchtlinge hiesige Familien „nicht unterschlagen“. Außerdem gelte es, die rund 200 Baulücken in Kirchheim zu schließen und zu überlegen, wie sich die 700 leerstehenden Wohnungen nutzen lassen könnten.

Walter Aeugle fordert bei städtischen Grundstücksverkäufen eine „mindestens 20-prozentige Mietwohnungsquote“, und Sabine Bur am Orde-Käß begrüßt es, dass für die Anschlussunterbringung „städtische Flächen mit Wohngebäuden belegt werden sollen“. Sabine Lauterwasser sieht die Möglichkeit „Wohnung gegen Hilfe oder Hilfe gegen Wohnung“ anzubieten: Junge Mieter erhalten günstige Zimmer, wenn sie ihren älteren Vermietern im Alltag an die Hand gehen. Zum Thema „Wohnen“ fordern alle Fraktionen, neue Wohngebiete oder Areale zu erschließen, vor allem das Gebiet um den alten Güterbahnhof.

Ebenso einig waren sich fast alle Redner, dass die Sanierung des Technischen Zentrums in der Henriettenstraße nicht noch weiter verzögert werden dürfe – nur um Geld zu sparen. An dieser Stelle zeigt sich eben wieder das gesamte Dilemma der Stadt: Aufgaben sind da und sollen erledigt werden. Geld, um sie zu erledigen, ist aber keins da. Auswege aus dieser Zwickmühle zu finden, wird schwer, sehr schwer.