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„Schema F darf nicht gewinnen“

Kamiar Ehsani. Foto: privat

Der Kirchheimer Anwalt Kamiar Ehsani fährt von Gericht zu Gericht, um Flüchtlinge zu vertreten. Er kennt die Aussichtslosigkeit vieler Fälle - und den Stress der Richter. Trotzdem sagt er: Wer den Rechtsstaat will, muss auch in den sauren Apfel beißen.

Herr Ehsani, wie überlastet sind Gerichte in Zeiten der Abschiebewellen?

Kamiar Ehsani: Sehr. Die Belastung an den Gerichten wird immer extremer. Das BAMF spuckt die Abschiebebescheide derzeit aus wie am laufenden Band. Und die Flüchtlinge klagen natürlich. Bis es zur Verhandlung kommt, kann es Monate dauern, wegen der Masse.

Hat so eine Klage überhaupt eine Perspektive? Der Asylantrag wurde doch schon abgelehnt.

Ehsani: Das kommt auf den Fall an. Bei Mandanten aus schwarzafrikanischen Ländern sind die Chancen eher gering. Aber es gibt auch Überraschungen, gerade bei sogenannten Dublin-Fällen. Da passieren oft Fehler in der Bearbeitung. Wenn man die findet, bekommen die Flüchtlinge oft zumindest zugesprochen, dass ihr Asyl in Deutschland verhandelt wird - und nicht in Italien. Bei so einem Tempo wird schnell schlampig gearbeitet. Deswegen geht es in solchen Prozessen auch darum, immer wieder aufzuzeigen, dass jeder Fall ein Einzelschicksal ist. Es darf nicht nach Schema F entschieden werden.

Die Klage lohnt sich also auch bei eigentlich schlechten Chancen?

Man muss die Lage ehrlich bewerten, manchen würde ein Prozess Nachteile bescheren. Aber grundsätzlich: Ja. Man muss diesen Menschen das Recht gewähren, zu klagen, auch bei schlechter Perspektive. Sonst bauen wir unseren Rechtsstaat selbst ab. Wenn wir dieses Recht jetzt aufgeben, trifft es uns irgendwann selbst, Schönwetter-Demokratie kann jeder.

Für Flüchtlinge bedeutet ein Prozess auch einfach mehr Zeit in Deutschland.

Das ist die andere Seite - die aufschiebende Wirkung. Manche klammern sich aus Angst an jeden Strohhalm. Ich würde nicht tauschen wollen.