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Schleudern nach Anleitung

Verkehr Junge Fahrer überschätzen häufig ihr Auto und sich selbst. Ein spezielles Sicherheitstraining sensibilisiert sie für die Gefahren der Straße. Von Daniela Haußmann

„Bis zum bitteren Ende“ - ein Motto, das nicht für Reifen gelten sollte. Fachleute raten, Winterreifen bei vier und Sommerreifen
„Bis zum bitteren Ende“ - ein Motto, das nicht für Reifen gelten sollte. Fachleute raten, Winterreifen bei vier und Sommerreifen bei drei Millimeter Restprofiltiefe zu erneuern. Dies gilt als wichtiger Faktor, wenn es darum geht, sicher von A nach B zu kommen. Foto: Daniela Haußmann

Kay Siemers drückt aufs Gas. Langsam wandert die Nadel auf dem Tacho seines Kleinwagens nach oben. Mit 25 Stundenkilometern umrundet der junge Mann auf dem ADAC-Verkehrsübungsplatz in Lindorf die Hütchen. „Das geht noch schneller“, tönt es knisternd aus dem Walkie-Talkie in der Seitenablage. Sachte drückt der Esslinger das Pedal. Je schneller der Wagen über den Asphalt rollt, umso stärker muss Kay Siemers gegenlenken. Bei Tempo 42 beginnen die Reifen zu quietschen. Der 19-Jährige, der seit zwei Jahren den Führerschein hat, erlebt beim ADAC-Fahrsicherheitstraining für junge Fahrer hautnah, dass hinterm Steuer kein Weg an den Naturgesetzen der Physik vorbeiführt.

An jedem fünften Verkehrsunfall mit Personenschaden sind Fahrer im Alter von 18 bis 24 Jahren schuld. Die Gründe sind laut Reimund Elbe, Sprecher des ADAC Württemberg, vielfältig: Mangelnde Erfahrung, Selbstüberschätzung, hohe Risikobereitschaft, aber auch Alkohol- oder Drogenkonsum spielen eine Rolle. „Der Kurs soll diese Gruppe für die Gefahren des Straßenverkehrs sensibilisieren und ihr Sicherheitsbewusstsein stärken“, erklärt Elbe.

Mit Argusaugen verfolgt Fahr-trainer Reinhard Zbick, wie Kay Siemers auf dem Übungsplatz Runde um Runde dreht. Unwillkürlich wird der Abstand zwischen Hütchen und Wagen immer größer. „Bleib dran, gegenlenken und auf Blickführung achten“, fordert Zbick. „Schließlich geht es darum, in gefahrloser Umgebung Grenzen auszutesten, die Fliehkräfte zu erleben und dabei das Limit des Fahrzeugs, aber auch der eignen Fähigkeiten kennenzulernen.“

Die Botschaft kommt an. „Mir war schnell klar, dass selbst der beste Fahrer trotz ESP einen Abflug macht, wenn er eine Kurve, die maximal 50 Stundenkilometer verträgt, mit 55 Sachen durchfährt“, sagt Kay Siemers. Gerade junge Fahrer überschätzen laut Reimund Elbe häufig das Leistungsvermögen moderner Assistenzsysteme. „Doch ABS, ESP und Co. stoßen irgendwann auch an ihre Grenzen“, so der Experte. Ähnlich sieht es Reinhard Zbick. „Trockene Straße, neue Reifen, kein Alkohol, keine Drogen - da steht oft die Frage im Raum, wie es krachen konnte“, weiß der Trainer.

Einige Meter weiter spritzt in hohem Bogen Wasser aus dem Boden und benetzt den Asphalt. Ein Teilnehmer beschleunigt auf 50 Stundenkilometer. Plötzlich bricht beim Ausweichmanöver auf regennassem Untergrund das Heck aus. Obwohl der Fahrer gegenlenkt, dreht sich sein roter Flitzer um die eigene Achse. „Lenkrad gerade halten“, ruft Zbick ins Funkgerät. „Das Problem ist, dass viele die Bremse viel zu früh wieder loslassen. Dadurch federt das Fahrzeug aus. Der Fahrer fängt an zu lenken, und dann bricht das Heck aus.“ Tobias Rothe macht es vor. Der 26-Jährige steigt konsequent in die Eisen. „So kwriegt der Wagen“, laut Zbick, „einen höheren Anrissdruck und die beiden Hinterräder wieder Bodenhaftung.“

Tobias Rothe hat schon einige solcher Kurse besucht. Auch weil er in der Automobilindustrie arbeitet. „Ein Tag auf dem Übungsplatz steigert ganz klar das Risikobewusstsein“, findet der Teilnehmer. „Unter der Anleitung von Profis lassen sich alltägliche Verkehrssituationen simulieren, die helfen, Erfahrungen zu sammeln und aus Fehlern zu lernen.“ Auch Kay Siemers, der das Training zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, bereut seine Teilnahme nicht: „Ich habe erst kurz den Führerschein. Das, was ich heute gelernt habe, hilft mir, vorausschauend zu fahren und in brenzligen Situationen besser zu reagieren.“ Solche Erkenntnisse sind nach Ansicht von Reimund Elbe gerade für junge Fahrer wichtig.

Beim Blick in einen schwarzen Wagen kann Reinhard Zbick ein lautes „Herrje“ nicht unterdrücken. Der Trainer zieht den Schlüssel ab, der an einem langen Band hängt. „Warum ist das gefährlich?“, fragt er. „Man kann sich in der Schlaufe verfangen“, antwortet eine junge Frau zögerlich. Zbick nickt. Der Trainer hat einmal bei einem Unfall Hilfe geleistet. „Der Fahrer hatte ein solches Band“, erinnert er sich. „Im Eifer des Gefechts hatte er sich vor dem Crash in der Schlaufe verfangen. Dabei beschädigte er das Schloss. Die Lenkung blockierte, und er konnte nicht mehr ausweichen.“ Wer seinen Autoschlüssel an einem Band befestigt hat, ist gut beraten, es durch einen kurzen Anhänger zu ersetzen.

Nach acht Stunden voller Adrenalin und anspruchsvollen Übungen rollen die Teilnehmer vom Platz. Für Reimund Elbe steht fest: „Wenn jeder von ihnen nur fünf Stundenkilometer langsamer fährt, ist viel gewonnen.“

Info: Das „Junge Fahrer-Training“ des ADAC eignet sich besonders für Personen von 17 bis 25 nach dem „Begleiteten Fahren“ (BF). Die Schulung vermittelt, wie Fahrer Hindernissen ausweichen oder auf glatten Straßen bremsen können. Auch die Auswirkungen von Ablenkungen wie Musik oder Smartphone werden thematisiert. Teilnehmer BF 17 können nur in Begleitung der eingetragenen Begleitperson mitmachen. Das Training ist durch Berufsgenossenschaften bezuschussbar und kostet zwischen 99 und 139 Euro.

Meister fallen nicht vom Himmel, aber im auf sie zugeschnitten Training können Neulinge am Steuer wertvolle Erfahrungen sammeln.
Meister fallen nicht vom Himmel, aber im auf sie zugeschnitten Training können Neulinge am Steuer wertvolle Erfahrungen sammeln. Foto: Daniela Haußmann