Weilheim · Lenningen · Umland
Schnee und Eis machen das Radfahren lebensgefährlich

Winterdienst Radwege sollten im Winter zuverlässig geräumt werden. Aber die Praxis sieht im Kreis Esslingen vielerorts anders aus. Von Karin Ait Atmane

Freie Bahn für Fahr­rad­fah­rer? Im Win­ter gilt das nicht ein­mal auf Rad­we­gen. Schnee, Eis und ge­fro­re­ner Matsch sind kei­ne Sel­ten­heit. Dar­auf ver­las­sen, dass ih­re We­ge ge­räumt sind, kön­nen sich Rad­ler je­den­falls nicht.

Ge­ra­de noch flott in die ­Pe­da­le ge­tre­ten, tut sich plötz­lich statt des We­ges ei­ne Schnee- oder Eis­flä­che auf: Vor die­ser Si­tua­ti­on sind Rad­le­rin­nen und Rad­ler im Win­ter nir­gends ge­feit. Tho­mas Rumpf, Vor­sit­zen­der des Kreis­ver­ban­des Ess­lin­gen des ADFC (All­ge­mei­ner Deut­scher Fahr­rad­club) und All­wet­ter­rad­ler, er­lebt sie re­gel­mä­ßig. Zum Bei­spiel am neu aus­ge­bau­ten Rad­weg zwi­schen Ost­fil­dern und Ess­lin­gen, ent­lang der Bres­lau­er Stra­ße: Da räumt auf der ei­nen Sei­te die Stadt ­Ess­lin­gen bis zu ih­rem Orts-Aus­gangs­schild, auf der an­de­ren Sei­te tut die Stadt Ost­fil­dern das­sel­be. Da­zwi­schen bleibt ein Ab­schnitt von rund 400 Me­tern, nicht ge­räumt und nicht ge­streut. „Es ist be­zeich­nend, dass da kei­ne durch­gän­gi­ge Sa­che ge­macht wird“, sagt Rumpf, der glaubt, dass die Rad­we­ge viel­fach „ein­fach ver­ges­sen“ wer­den.

So war’s wohl auch, als die da­mals ge­ra­de stolz als ­Fahr­rad­stra­ße aus­ge­wie­se­ne ­Hin­den­burg­stra­ße in Ess­lin­gen an­fangs ein­fach nicht frei­ge­macht wur­de. Oder als das Körsch­tal­via­dukt end­lich ei­nen Rad­weg be­kom­men hat­te, der Win­ter­dienst die­sen aber beim ers­ten Räu­men ein­fach kom­plett mit Schnee zu­schob. In die­sem Fall ha­be nach ei­nem Hin­weis im­mer­hin das Land­rats­amt schnell inter­veniert, sagt Rumpf.

Vorgegebene Reihenfolge

Auch ab­ge­se­hen vom Ver­ges­sen hat das Räu­men von Rad­we­gen nicht obers­te Prio­ri­tät. Der Win­ter­dienst macht zu­nächst ein­mal die Stra­ßen frei, in vor­ge­ge­be­ner Rei­hen­fol­ge - sie sind je nach ih­rer Be­deu­tung klas­si­fi­ziert. Die Rad­we­ge qua­si ne­ben­bei zu räu­men, ist oft gar nicht mög­lich, wie die Pres­se­stel­le des ba­den-würt­tem­ber­gi­schen Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums auf An­fra­ge schreibt: Nö­tig sei „ei­ne se­pa­ra­te Or­ga­ni­sa­ti­on und Aus­stat­tung un­ab­hän­gig vom Stra­ßen­win­ter­dienst, ins­be­son­de­re auch we­gen der ge­rin­ge­ren Durch­fahrts- und Räum­brei­ten“. Sprich, an vie­len Stel­len sind die Stra­ßen-Räum­fahr­zeu­ge ein­fach zu groß oder un­ge­eig­net. Folg­lich rut­schen Rad­we­ge im Räum­plan nach un­ten, und es pas­siert häu­fig, dass Schul­we­ge zwar frei­ge­macht wer­den, je­doch erst dann, wenn die Schu­le schon längst be­gon­nen hat.

Und dass auch an wich­ti­gen, stark fre­quen­tier­ten Rad­ler-Haupt­stre­cken der Win­ter­dienst ganz oder auf ei­nem Teil­ab­schnitt fehlt. Das war im De­zem­ber auf der Rei­chen­ba­cher ­Quer­span­ge zur B 10 der Fall, ge­ra­de in der Kur­ve über der Fils, die zahl­rei­che Rad­ler aus und in Rich­tung Hoch­dorf nut­zen. Der zer­furch­te, zu Eis ge­fro­re­ne Schnee­matsch lag dort so lan­ge, bis er von al­lei­ne wie­der schmolz.

Auf so ei­nem Un­ter­grund zu ra­deln, kommt Akro­ba­tik gleich, hals­bre­che­risch ist es al­le­mal. „Da hel­fen selbst Rei­fen mit Spikes nicht“, sagt Tho­mas Rumpf, der sol­che im Win­ter nutzt. Auf Brü­cken fin­det man auf­grund des kal­ten Durch­zugs oft sol­che ver­eis­ten Stel­len.

Regelungen sind schwammig

Die Re­ge­lun­gen zum Räu­men von Rad­we­gen sind schwam­mig formuliert. Zwar ist zu­ge­ord­net, wer für wel­che Art von Rad­weg zu­stän­dig ist. Gleich­zei­tig fin­det sich in der Er­klä­rung des Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums ei­ne gan­ze Rei­he von For­mu­lie­run­gen wie „im Rah­men des Zu­mut­ba­ren“, „nach bes­ten Kräf­ten“, „un­ter Be­rück­sich­ti­gung der vor­han­de­nen Mög­lich­kei­ten“ und „ent­spre­chend den ver­kehr­li­chen Prio­ri­tä­ten“. So ver­si­chert das Land­rats­amt Ess­lin­gen, das für die stra­ßen­be­glei­ten­den Rad­we­ge au­ßer­halb von Ort­schaf­ten zu­stän­dig ist, dass man sich der Be­deu­tung des Rad­ver­kehrs be­wusst sei und den Win­ter­dienst so­weit mög­lich auch auf Geh- und Rad­we­gen durch­füh­re. Dies sei aber „ bis­lang nicht in dem Um­fang mög­lich wie auf den Stra­ßen“. Denn für die­se gibt es kon­kre­te Vor­ga­ben und folg­lich ent­spre­chen­de Fahr­zeu­ge und Per­so­nal. Für die Rad­we­ge ar­bei­te das Stra­ßen­bau­amt der­zeit an ei­nem Win­ter­dienst-Kon­zept.

Räumkonzept ausschlaggebend

Er­klär­tes Ziel des Lan­des Baden-Württemberg ist, den An­teil des Fahr­rads am Ge­samt­ver­kehr, vor al­lem auch bei den Be­rufs­pend­lern, zu er­hö­hen. Co­ro­na hat für ei­nen Auf­schwung ge­sorgt, der Win­ter bremst da­ge­gen aus. Das liegt aus Sicht von Tho­mas Rumpf we­ni­ger an der momentan vorherrschenden Käl­te: Ge­gen die kön­ne man sich wapp­nen, sagt er, der sich auch bei Mi­nus­gra­den auf den Sat­tel schwingt. Und Bei­spie­le aus Hol­land oder ­Skan­di­na­vi­en führ­ten vor Au­gen, dass selbst dort, wo es we­sent­lich käl­ter ist und noch viel häu­fi­ger Schnee liegt, den Win­ter über flei­ßig ge­ra­delt wird - bei ent­spre­chen­dem Räum­kon­zept. Beim Zu­stand hiesiger Rad­we­ge brau­che man da­ge­gen „schon star­ke Ner­ven, um das auch im Win­ter durch­zu­zie­hen“, ist sich der passionierte Radfahrer sicher.