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Sechs auf einen Streich

„08/15-Hochzeiten“ in Kirchheim halten den Standesbeamten Jochen Schilling auf Trab

Es soll der Tag aller Tage ­werden: der Hochzeitstag. Alles rund, alles perfekt, einfach ­einzigartig. Dazu gehört für viele auch ein einzigartiges Datum. Der 15. August ist mal wieder so ein Termin: Landauf, landab setzen Heiratswillige auf 08/15-Hochzeiten.

Der Ringtausch besiegelt den Bund der Ehe. Der 15. August ist ein beliebtes Heiratsdatum.Foto: Jean-Luc Jacques
Der Ringtausch besiegelt den Bund der Ehe. Der 15. August ist ein beliebtes Heiratsdatum.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Nachdem man die oder den Richtigen fürs Leben gefunden zu haben glaubt, darf es bei der Hochzeit an nichts fehlen. So denken zumindest viele Menschen und suchen sich deshalb auch spezielle Daten aus, an denen sie die Ringe mit ihren Liebsten tauschen wollen. Der 9. 9. 1999 war so ein Tag. Da verzeichnete Jochen Schilling im Kirchheimer Standesamt das Trauungshoch pro Tag in seiner bisherigen Standesbeamten-Laufbahn: gleich 17 Paare vermählte er hintereinander. Mehr wäre nicht drin gewesen. Denn Schilling, der seit über 23 Jahren in Kirchheim als Standesbeamter und mittlerweile auch als Abteilungsleiter der Stadtverwaltung tätig ist, nimmt sich stets eine halbe Stunde Zeit für seine Trauungen. Von Eheschließungen im Zehn-Minuten-Takt hält er nichts. „Viele Menschen warten ihr ganzes Leben lang auf diesen Tag, und die meisten kommen auch freiwillig“, witzelt Schilling, „da soll es schon etwas Besonderes sein.“

Der Trend geht in Kirchheim allerdings weg von den besonderen Daten. Am 14. 6. 2014 gaben sich sechs Paare hier das Ja-Wort, am 15. 5. 2015 sieben. Jetzt steht wieder ein Datum an, das sich auf der Trauurkunde gut machen könnte: der 15. 8. 2015. Vielerorts ersehnen zahlreiche Paare, oft ein bisschen ironisch, ihre 08/15-Hochzeit. In Kirchheim wird Schilling sechs Paare trauen. Der Durchschnitt liegt an Samstagen sonst bei zwei bis vier Paaren. „Die Leute rennen mir also nicht die Bude ein“. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass die Samstags-termine – ebenso wie Hochzeiten im Schloss – die das Kirchheimer Standesamt zweimal im Monat anbietet, den Kirchheimer Einwohnern vorbehalten sind. Irgendwann will eben auch ein Standesbeamter einmal Wochenende haben.

In Bayern und im Saarland wird es übrigens keine 08/15-Hochzeiten geben. Dort ist der 15. August mit Mariä Himmelfahrt ein Feiertag. Neben dem Rückgang des Daten-Hypes in Kirchheim beobachtet Schilling noch einen anderen Heirats-Trend: Der Eventcharakter von Hochzeiten werde immer wichtiger. So wollen einige den Bund der Ehe auf dem Baukran schließen, im Leuchtturm oder am Strand. Je ausgefallener, desto besser. Dass die Jagd nach dem perfekten Termin in Kirchheim abflaut, findet Schilling dabei gar nicht verkehrt. Trauungen am Geburtstag der Braut oder des Bräutigams kann der Kirchheimer Standesbeamte noch eher verstehen. Aber: „Ich persönlich halte nicht viel davon, an solchen Kulttagen zu heiraten. Natürlich muss das jeder selber wissen. Aber bei einer Trauung sollte doch nicht der Termin im Vordergrund stehen, sondern das Wesentliche.“

Ob wiederum Ehen, die an optisch ansprechenden Terminen geschlossen werden, tatsächlich mit höherer Wahrscheinlichkeit brechen, kann Schilling nicht beurteilen. Die Scheidungsrate ist in Kirchheim mit derzeit etwa 10 bis 15 Prozent recht niedrig. Das liege aber wohl nicht an ihm selbst, vermutet Schilling unter herzlichem Lachen. Dabei versucht der Standesbeamte, möglichst individuelle Reden zu halten und persönlich auf die Leute einzugehen. Und dies gelingt ihm bestimmt auch wegen seiner Haltung: „Ich hab den besten Job der Welt: die meisten kommen gut gelaunt und gehen noch besser gelaunt.“

Beliebte Tage zum Heiraten sind in Kirchheim generell Freitage, Samstage und Brückentage. Ein Grund dafür ist vermutlich, dass es für Brautpaare einfacher ist, an diesen Tagen alle Gäste zusammenzutrommeln. Die beliebteste Jahreszeit für das Ja-Wort sind die Monate von Mai bis August – erstaunlicherweise aber auch der Dezember. Das könnte den Grund haben, dass Paare vom Vorteil durch die Ehe bei der Einkommensteuer profitieren wollen. Letztlich komme es bei der Eheschließung aber ganz klassisch darauf an, in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten, meint Schilling. Und dafür sind die Heiratsumstände doch relativ egal.

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