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Sechs Jahre Großbaustelle

Bürgerinformation zum Neubau der ICE-Strecke auf Kirchheimer Gemarkung

Der Neubau der ICE-Trasse zwischen Stuttgart und Ulm sorgt demnächst auch in Kirchheim für gravierende Veränderungen: Erste Vorarbeiten sollen dieses Jahr noch beginnen. Die „richtigen“ Bauarbeiten im Abschnitt von Wendlingen nach Weilheim starten zwischen Ende 2015 und Mitte 2016. Im Dezember 2021 soll die gesamte Strecke bereits in Betrieb genommen werden.

Abschnittsleiter Jens Hallfeldt stellte bei der Bürgerinformation in der Stadthalle den Abschnitt 2.1 der neuen ICE-Trasse vor,
Abschnittsleiter Jens Hallfeldt stellte bei der Bürgerinformation in der Stadthalle den Abschnitt 2.1 der neuen ICE-Trasse vor, der überwiegend auf Kirchheimer Markung liegt. Es ging dabei vor allem um die Auswirkungen der Bauarbeiten auf Kirchheim und Umgebung.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Beim Informationsabend in der Kirchheimer Stadthalle sprach Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker erleichtert von dem großen Vorteil, den der 8,2 Kilometer lange Albvor­landtunnel biete: „Dadurch hat die ICE-Strecke nicht die ganz großen Auswirkungen für Kirchheim wie ursprünglich befürchtet.“ Letzteres gilt allerdings nur für den späteren Betrieb der Bahn, nicht aber für den Bau der Strecke, weil der Tunnelbau einen weitaus größeren Aufwand erfordert. Angelika Matt-Heidecker stellte deshalb fest: „Die sechsjährige Bauzeit bringt uns Beeinträchtigungen in Kirchheim.“

Eine dieser Beeinträchtigungen besteht beispielsweise darin, dass die Baustelle am Ostportal des Tunnels nicht voll an die Autobahn angebunden ist, sondern nur zu drei Vierteln. Was fehlt, ist die Einfahrt in Richtung Stuttgart. Eine weitere Beeinträchtigung gibt es am Fuß- und Radweg von Nabern nach Kirchheim, der vielfach auch als Schulweg genutzt wird. Über Jahre hinweg wird dieser Weg nun von einer Baustellenstraße gekreuzt. Immerhin, so die Oberbürgermeisterin, „haben wir dafür inzwischen eine Lösung gefunden, mit der wir leben können“.

Über die Details informierten Mitarbeiter der Projektgruppe der Bahn, die für den Planfeststellungsabschnitt 2.1 zuständig ist – allen voran Abschnittsleiter Jens Hallfeldt. Zur Radwegproblematik in Nabern sagte er, dass der Weg zunächst einmal in Richtung Westen verlängert wird und dann während der Bauzeit eine Behelfsbrücke über die Autobahn erhält. Der Verkehr an der Kreuzung zur Baustellenstraße werde durch eine Ampel geregelt. – Der fehlende Autobahnanschluss der Baustelle in Fahrtrichtung Stuttgart werde ebenfalls über die Baustellenstraße ersetzt: Die Straße mündet südlich der Autobahnmeisterei in die B 465, also in unmittelbarer Nähe zur Auffahrt Kirchheim-Ost.

Zum Albvorlandtunnel sagte Jens Hallfeldt, dass dessen „First-Überdeckung“ bei zehn bis 65 Metern liege. So viel Erdschicht liegt also zwischen der Tunnelröhre und dem Erdboden. Bei 35 Meter Überdeckung sei oben nichts vom Tunnelbau zu bemerken. Kritisch werde es ab 25 Meter. In diesem Fall müsse man bei den Bauarbeiten besonders vorsichtig sein. Eine Sperrung der Autobahn werde aber voraussichtlich nicht nötig sein.

Am Tunnel selbst wird 24 Stunden täglich gearbeitet, sieben Tage pro Woche – also ohne jede Unterbrechung. Der Aushub werde allerdings nur tagsüber abtransportiert, hieß es. Lediglich das Förderband, das zwischen den beiden Tunnelportalen installiert wird, laufe Tag und Nacht.

Aber zu diesem Förderband, das noch eine kurze „Nebenstrecke“ am Zwischenangriffsstollen an der Autobahnanschlussstelle Kirchheim-West erhält, stellte der Abschnittsleiter noch eine eigene Informationsveranstaltung in Aussicht.

Am besten ohne „Plan B“Kommentar

In Deutschland neigt man dazu, bereits im Vorfeld das Schlimmste zu befürchten. Das ist gut so, denn so kann man davon ausgehen, dass es nicht ganz so schlimm wird. Falls doch, ist man wenigstens darauf vorbereitet. Es gibt dann den berühmten „Plan B“. Aber für den Bau der ICE-Trasse ist zu hoffen, dass der „Plan B“ dort bleibt, wo er hingehört: in der Schublade.

Es ist gut zu wissen, dass lärmgeplagte Anwohner notfalls im Hotel unterkommen können. Es ist auch gut, wenn es dafür schon ein Budget gibt. Aber es wäre trotzdem ein ungeheurer Image-Schaden für das Großprojekt – das ohnehin nicht überall auf einhellige Zustimmung stößt –, wenn tatsächlich Kirchheimer Bürger kurzfristig „umgesiedelt“ werden müssten. Gleiches gilt für Gebäudeschäden: Es ist gut, dass der Anspruch auf Entschädigungen einkalkuliert ist. Aber es bleibt zu hoffen, dass kein einziger Euro gezahlt werden muss, weil eben am besten erst gar keine Schäden entstehen.

Belästigungen durch Baustellenlärm und -verkehr wird es so oder so geben, sechs Jahre lang. Auch die notwendigen Rodungen zur Vorbereitung der Mammutbaustelle werden nicht allen gefallen – von einer Ampelkreuzung auf einem Schulradweg einmal ganz abgesehen. Vor allem für Schüler sind sechs Jahre eine lange Zeit: mindestens die Hälfte der gesamten Schulzeit.

Gerade deshalb wäre zu wünschen, dass durch die Baustelle nicht noch weiteres Ungemach auf die Anwohner zukommt – auf uns also, denn wir alle sind Anwohner. Und hoffentlich bleibt das nicht nur ein frommer Wunsch.ANDREAS VOLZ