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Sehen und gesehen werden

Jubiläum Ein Becken für Männer und eins für Frauen: Seit 1927 hat sich einiges verändert. Am Sonntag feiert das Kirchheimer Freibad seinen 90. Geburtstag. Von Melissa Seitz

Auf einem Foto aus dem Jahr 1930 wird deutlich: Hier schwammen Männer und Frauen noch getrennt ihre Bahnen im Kirchheimer Freiba
Auf einem Foto aus dem Jahr 1930 wird deutlich: Hier schwammen Männer und Frauen noch getrennt ihre Bahnen im Kirchheimer Freibad. Foto: Stadtarchiv Kirchheim

Wenn die Temperaturen über die 25-Grad-Marke klettern, reiht sich am Beckenrand des Kirchheimer Freibads ein Badegast an den nächsten. Von Berührungsangst keine Spur. Wieso auch? Wer ins Freibad geht, hat es nicht nur darauf abgesehen, ein paar Bahnen zu schwimmen. Hier herrscht überwiegend das Motto: Sehen und gesehen werden - und vielleicht auch noch ein paar Kontakte mit dem anderen Geschlecht knüpfen. Auch wenn das heutzutage nicht immer ganz glimpflich über die Bühne geht. Bei der Vorstellung eines fröhlichen Miteinanders hätten die Freibad-Gäste bei der Eröffnung im Jahr 1927 nur mit dem Kopf geschüttelt. Männlein und Weiblein in einem Becken? Unvorstellbar!

Heute ist das Freibad bei der Lindach ein Familienbad und bietet Jung und Alt Abkühlung an heißen Sommertagen.Fotos: Stadtarchiv
Heute ist das Freibad bei der Lindach ein Familienbad und bietet Jung und Alt Abkühlung an heißen Sommertagen. Foto: Werner Feirer

Partnersuche mit Hindernissen

Vor 90 Jahren gab es im Kirchheimer Freibad noch eine strikte Trennung. Männer und Frauen drehten getrennt ihre Runden in zwei verschiedenen Schwimmbecken. Wer einen Blick auf das andere Geschlecht erhaschen wollte, musste sich auf die Zehenspitzen stellen und über eine lange Bretterwand spicken. Denn die durchzog das komplette Kirchheimer Freibad. Partnersuche im kühlen Nass gestaltete sich damals wohl nicht so einfach. Das Argument, nachzulesen in der Schriftenreihe des Stadtarchivars: „Ein Durcheinander von Männlein und Weiblein müsse jeder feinen, empfindlichen Frau zuwider sein.“ 1938 war die Bretterwand Geschichte. Aus dem Kirchheimer Schwimmband wurde ein Familienbad ohne Geschlechtertrennung.

Dem fröhlichen Planschen sind seither wortwörtlich keine Grenzen mehr gesetzt. Die Optik des Freibades hat sich aber über die Jahre hinweg immer wieder verändert. Der Bezeichnung „Familienbad“ will man schließlich gerecht werden. Ein Nichtschwimmerbecken, ein Planschbecken und ein Kiosk kamen hinzu. „2000 gab es dann die letzten Umbauarbeiten“, erzählt Martin Zimmert, Geschäftsführer der Stadtwerke Kirchheim. Mit dem Strömungskanal und den Wasserrutschen war das Image eines Familienbades komplett.

Neues Styling für das Freibad

Zum 90. Geburtstag wird der beliebteste Ort im Sommer aufgehübscht und erstrahlt zur Badesaison 2018 in neuem Glanze. Dafür nehmen die Stadtwerke Kirchheim 2,18 Millionen Euro in die Hand.

Übrigens: Das Kirchheimer Freibad wurde gerade mal in 32 Tagen gebaut, natürlich war es da noch nicht ganz fertig. Aber als es am 9. Juli 1927 seine Pforten öffnete, war es nicht nur eins der ersten in Württemberg, sondern auch eins der größten Bäder im Ländle. Das Klischee der fleißigen Schwaben kommt nicht von ungefähr.