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Sie wol­len es wer­den­den Müt­tern schön ma­chen

Medizin Zwei jun­ge Heb­am­men er­öff­nen im März das ers­te Ge­burts­haus im Kreis Ess­lin­gen. Schon jetzt sind sie bis Au­gust aus­ge­bucht. Von Ca­ro­li­ne Ho­lo­wiecki

Die Fens­ter und Tü­ren sind drin. Das ist der letz­te Stand der Din­ge für Jan­na Huf­na­gel und Na­tha­lie Ro­se. Jetzt hei­ßt es für die bei­den Frau­en: War­ten – und Dau­men drü­cken, dass es nicht wie­der zu Ver­zö­ge­run­gen kommt, denn sie ha­ben viel vor. Die 26-jährige Jan­na Huf­na­gel und die ein Jahr ältere Na­tha­lie Ro­se sind frei­be­ruf­li­che Heb­am­men und wa­gen nun den Schritt in ein ge­mein­sa­mes Busi­ness. Sie wer­den in Aich­tal-Gröt­zin­gen das Ge­burts­haus Am­ma er­öff­nen – das ers­te im Kreis Ess­lin­gen. Ab März, so der ak­tu­el­le Plan, wol­len sie wer­den­de Müt­ter in ih­ren neu­en Räu­men emp­fan­gen.

Noch müs­sen die Grün­de­rin­nen sich aber in Ge­duld üben. Mit ih­rem Ge­burts­haus in­klu­si­ve Heb­am­men­pra­xis wer­den sie sich in ein neu­es Ärz­te­haus in Gröt­zin­gen ein­mie­ten, das sich al­ler­dings noch im Bau be­fin­det. Das Pro­jekt ist zeit­lich im­mer wie­der zu­rück­ge­wor­fen wor­den. Ent­spre­chend exis­tiert vie­les erst in den Köp­fen der bei­den Frau­en. Ihr Ge­burts­haus soll zwei Vor­sor­ge­räu­me, ei­nen Ent­bin­dungs­raum mit Ge­bär­wan­ne und wei­te­rem Mo­bi­li­ar für ei­ne mög­lichst ent­spann­te Ge­burt so­wie ei­nen Saal für Ge­burts­vor­be­rei­tungs­kur­se be­kom­men, der auch für ex­ter­ne Ver­an­stal­tun­gen wie Ba­by­mas­sa­ge oder Schwan­ge­ren-Yo­ga ge­nutzt wer­den kann. „Uns ist es wich­tig, in­ter­dis­zi­pli­när zu ar­bei­ten“, sagt Jan­na Huf­na­gel. Ent­schei­dend sei für sie und Na­tha­lie Ro­se zu­dem: ein zen­tra­ler gro­ßer Tisch, an dem sich Mit­ar­bei­te­rin­nen und El­tern aus­tau­schen kön­nen. „Wir wol­len ein Zen­trum für Fa­mi­li­en sein, ei­ne An­lauf­stel­le. Das ist uns ein gro­ßes An­lie­gen.“

Die zwei Frau­en ken­nen sich seit ih­rer Aus­bil­dung – und wa­ren bis vor Kur­zem qua­si Nach­ba­rin­nen. Jan­na Huf­na­gel lebt in Fil­der­stadt-Siel­min­gen, Na­tha­lie Ro­se ist jüngst weg­ge­zo­gen nach Aich­tal. Bei­de ar­bei­ten schon lang zu­sam­men, et­wa wenn zwei Heb­am­men be­nö­tigt wer­den oder wenn Ver­tre­tun­gen nö­tig sind. Die Spe­zia­li­tät der bei­den sind Haus­ge­bur­ten. Die wer­den sta­tis­tisch ge­se­hen laut Jan­na Huf­na­gel im­mer be­lieb­ter. Vie­le Frau­en zö­gen ei­ne per­sön­li­che At­mo­sphä­re dem Ste­ri­len ei­ner Kli­nik vor. Ent­spre­chend hei­me­lig und an­spre­chend wol­len die Grün­de­rin­nen ihr Ge­burts­haus ein­rich­ten. Vor Ort wird das Duo nicht al­lein sein. Ei­ne drit­te Heb­am­me ist be­reits ge­fun­den, ei­ne vier­te wird im No­vem­ber ih­re Aus­bil­dung be­en­den. Wei­te­re Fach­kräf­te sol­len da­zu­sto­ßen – für die Ge­burts­hil­fe, aber auch für die Wo­chen­bett-Be­treu­ung.

 

Ich hat­te An­ru­fe, da wuss­te der Part­ner noch nicht mal Be­scheid“
Jan­na Huf­na­gel
Die Hebamme über das Interesse schwangerer Frauen an ihrem Geburtshaus.
 

Der Heb­am­men-Ver­band Ba­den-Würt­tem­berg hat laut der Vor­sit­zen­den Jut­ta Ei­chenau­er mehr als 3100 Mit­glie­der – da­von mehr als 2600 ak­ti­ve Heb­am­men. Hin­zu kom­men mehr als 230 Stu­die­ren­de und Schü­le­rin­nen. Die meis­ten Ent­bin­dungs­pfle­ge­rin­nen im Land sind dem­nach auch Mit­glie­der im Ver­band. „Die Zahl steigt im­mer noch leicht, aber kon­ti­nu­ier­lich, das In­ter­es­se am Heb­am­men­be­ruf ist groß “, sagt Jut­ta Ei­chenau­er, al­ler­dings üb­ten vie­le den Be­ruf nicht lan­ge aus. Be­reits nach vier bis sie­ben Jah­ren re­du­zier­ten die meis­ten Heb­am­men zeit­lich oder hör­ten ganz auf. „Die Ar­beits­be­din­gun­gen sind kna­ckig, das ist seit Jahr­zehn­ten so“, sagt sie. Der bü­ro­kra­ti­sche Auf­wand sei hoch, die Haft­pflicht­ver­si­che­run­gen sei­en teu­er. Vie­le Heb­am­men sei­en da­her nur ge­ring­fü­gig be­schäf­tigt.

Jan­na Huf­na­gel und Na­tha­lie Ro­se – letz­te­re ist selbst Mut­ter ei­nes zehn­mo­na­ti­gen Soh­nes – be­stä­ti­gen: Der Ar­beits­auf­wand ist enorm. Ro­se hat an die­sem Tag Ruf­be­reit­schaft, ihr Han­dy liegt griff­be­reit vor ihr, zwei Frau­en könn­ten We­hen be­kom­men. „Wenn das Te­le­fon klin­gelt, bin ich weg“, sagt sie. Man müs­se be­reit sein, viel für den Be­ruf zu in­ves­tie­ren. „Wir sind nicht so vie­le“, er­klärt Huf­na­gel. Um­so grö­ßer sei der Be­darf. Wohl auch des­halb wird dem Ge­burts­haus Am­ma schon Mo­na­te vor dem Start die Bu­de ein­ge­rannt. „Wir sind voll bis Au­gust. Ich hat­te An­ru­fe, da wuss­te der Part­ner noch nicht mal Be­scheid“, er­zählt Huf­na­gel. Aus Stutt­gart, Met­zin­gen, selbst aus dem Pforz­hei­mer Raum kä­men die An­fra­gen. Vor­aus­set­zung: Für ei­ne Ent­bin­dung im Ge­burts­haus müs­sen Mut­ter und Kind ge­sund sein.

Von ih­rem Kon­zept sind die zwei Heb­am­men über­zeugt. Aich­tal lie­ge güns­tig, auch die An­bin­dung an Kli­ni­ken sei gut, falls ei­ne Ver­le­gung nö­tig wer­de. „Ein Ge­burts­haus fi­nan­ziert sich über Pau­scha­len, die die Kas­sen zah­len“, er­klärt Huf­na­gel. Stan­dard-Heb­am­men­leis­tun­gen wür­den über­nom­men. Ex­tras, et­wa die Ruf­be­reit­schaft, wür­den teils be­zu­schusst, doch vie­len Schwan­ge­ren sei die Eins-zu-eins-Be­treu­ung das Geld oh­ne­hin wert. „Lau­fen wird es si­cher­lich, auch wenn es am An­fang erst mal ein In­vest ist“, sagt Na­tha­lie Ro­se. Aber Kin­der wür­den schlie­ß­lich im­mer ge­bo­ren, fügt ih­re Ge­schäfts­part­ne­rin an.

 

Es gibt nur wenige Geburtshäuser im Land

An­satz Ein Ge­burts­haus soll ei­ne ru­hi­ge, stö­rungs­freie At­mo­sphä­re für wer­den­de Müt­ter bie­ten. Die Räu­me sind oft mit ei­ner Ba­de­wan­ne für Was­ser­ge­bur­ten aus­ge­stat­tet. Meist fin­den im Ge­burts­haus auch die Vor­sor­ge und die Ge­burts­vor­be­rei­tung statt. Ei­ni­ge Stun­den nach der Ent­bin­dung kön­nen Mut­ter und Kind nach Hau­se, wo sie von der Heb­am­me wei­ter be­treut wer­den, hei­ßt es sei­tens des Heb­am­men-Ver­ban­des.

An­zahl Es gibt we­ni­ge Ge­burts­häu­ser in Ba­den-Würt­tem­berg. Die Home­page des Lan­des-Heb­am­men-Ver­ban­des weist ins­ge­samt le­dig­lich zehn Ein­rich­tun­gen in fol­gen­den Städ­ten aus (Stand April 2022): Back­nang, Frei­burg, Horb, Ra­dolf­zell, Ras­tatt, Ra­vens­burg, Schwä­bisch Gmünd, Stutt­gart, Tü­bin­gen, Vil­lin­gen-Schwen­nin­gen. Laut der Heb­am­me Jan­na Huf­na­gel gibt es ei­ni­ge Stand­or­te aber nicht mehr. Mehr zum Ge­burts­haus: www.​geb​urts​haus-​amma.​de car