Es geht uns ein wenig wie Maria und Josef auf ihrer Herbergssuche in Bethlehem“, sagt Matthias Hennig, evangelischer Pfarrer in Weilheim. „Wir wissen letztlich nicht, wo wir an Heiligabend sind mit den Weihnachtsgottesdiensten.“ Damals war es eine Volkszählung, heute ist es die Pandemie, die vertraute Abläufe raubt. „Es bricht mir schier das Herz“, sagt Matthias Hennig, „wenn ich mit ansehen muss, wie Künstler im Bekanntenkreis vor dem Ruin stehen.“ Dann freudig festzustellen, dass Gottesdienste ja möglich sind, sagt er, wäre fehl am Platz. „Das ist völlig schräg“, sagt er auch zum von Politikern ausgesprochenen Gedanken, mit einem Lockdown Weihnachten retten zu wollen.
Doch die Kirchen können ja nicht einfach abwarten. „Wir sind demütig unterwegs und planen für Weihnachten mit größter Sorgfalt“, betont der Pfarrer. Zu dieser Planung gehören sieben Gottesdienste an Heiligabend, die nach aktuellem Stand jeweils von etwa 90 Personen besucht werden können. Drei Familiengottesdienste mit Krippenspiel auf dem Bertoldsplatz beginnen um 15, 16 und 17 Uhr und dauern jeweils 30 Minuten. Die Besucher betreten den Platz von der Unteren Grabenstraße her und stehen als Haushaltsgemeinschaft zusammen. Sie verlassen den Platz zum Markplatz hin. Der Christvesper-Gottesdienst schließt sich ebenfalls auf dem Bertoldsplatz an, auch er ist auf eine gute halbe Stunde beschränkt. Gleichzeitig gibt es eine Christvesperfeier in der Peterskirche. Es folgen Christmetten um 21.30 Uhr und 23 Uhr. Als Zugangsberechtigung für alle Gottesdienste werden an den Adventswochenenden bunte Bänder in sieben Farben ausgegeben - samstags auf dem Wochenmarkt, sonntags nach dem Gottesdienst. Dabei werden auch gleich die Besucher erfasst. Zusätzlich gibt es in Weilheim digitale Angebote (siehe unten).
Ökumenische Planungen
Auch in Kirchheim soll es kürzere Formate von 35 oder 45 Minuten geben. „Wir ducken uns nicht weg“, sagt Christoph Schweikle, evangelischer Pfarrer an der Christuskirche, nach einer Besprechung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Kirchheim. Schade sei, dass die neue Idee einer Jesus-Geburtstagsfeier für Jugendliche in diesem Jahr nicht gestartet werden könne. Stattdessen würden Weihnachtstüten für Jugendliche verteilt, es gebe ähnliche Tüten auch für Senioren und Erwachsene. Dazu
gehöre ein Lichtglas mit Teelicht: „Das Weihnachtslicht macht sich auch so breit.“
Eine eigene Homepage soll die Kirchheimer Angebote zusammenfassen, sie wird ökumenisch bestückt, also von den Kirchen gemeinsam. Eine Liturgie für eine häusliche Feier haben Protestanten und Katholiken gemeinsam erarbeitet, sie wird über die Gemeindebriefe und ein Extraheft zu Weihnachten verbreitet. Eine ökumenische Christmette zu später Stunde ist auf einem großen Kirchheimer Platz geplant, entweder auf dem Marktplatz oder vor der Martinskirche.
Damit sich die Besucher verteilen, könnte es diese Feier doppelt geben. Die Christmette mit Harfe und Texten für Lindorf und Ötlingen ist gleich dreifach um 21, 22 und 23 Uhr geplant. Die blaue Weihnacht in der Kirchheimer Auferstehungskirche ist als Endlosgottesdienst von 17 bis 20 Uhr vorgesehen: Im Rahmen des vorhandenen Platzes kann jeder kommen und gehen, wann er möchte. In der Martinskirche soll es mehrfache Kurzgottesdienste hintereinander geben. Auch die weihnachtlichen Krippenspiele werden aufgeteilt und sind mehrfach zu sehen, sie können sogar zur Fotostory werden. Der sonst übliche zentrale Gottesdienst am Zweiten Weihnachtsfeiertag in der Martinskirche wird ebenfalls durch dezentrale Angebote ersetzt. Manche Gottesdienste werden live gestreamt oder komplett aufgenommen.
Die Logistik für die vielen kurzen Angebote, oft im Freien, ist mit hohem Aufwand verbunden, es muss für die Beschallung, Stühle und vieles mehr gesorgt werden. Pfarrer Christoph Schweikle formuliert es positiv: „Es dürfen mehr Leute mitmachen als sonst.“
Und das ist noch nicht alles. „Wir stellen in der Stadt einen ökumenischen Fürbittenbaum auf“, sagt Christoph Schweikle. Für die Anliegen, die Passanten an diesen Baum hängen, werde dann später in den verschiedenen Kirchen gebetet.