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Spagat zwischen Klassik und Chanson

Musik Heidrun Speck ist seit 2000 die musikalische Leiterin des Oratorienvereins Plochingen. Neben der Arbeit mit dem Chor frönt sie aber auch noch einer anderen Leidenschaft – der Welt der Chansons. Von Rainer Kellmayer

"In Takt 37 bitte etwas mehr Piano. Und versucht, der Melodielinie hier noch mehr Spannung zu geben.“ Wenn Heidrun Speck mit dem Oratorienverein Plochingen probt, ist sie ganz in ihrem Element, motiviert die Chormitglieder mit einer aus dem Innersten kommenden Begeisterung, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. „Die Musik ist für mich ein sehr wichtiger und wertvoller Teil des Lebens. Diese Beglückung des Musizierens versuche ich den Sängerinnen und Sängern zu vermitteln“, so Specks Credo. Doch die Freude am Tun ist nur die eine Seite, die andere ist Ernsthaftigkeit und der persönliche Einsatz, den die Dirigentin von den Akteuren fordert: „Nur so sind gute Leistungen zu erreichen.“ Dabei ist sie bestrebt, pädagogisches Verständnis, Forderung und Eigenverantwortung der Chormitglieder in harmonischer Balance zu halten. Durch ihre positive Ausstrahlung, ihre Freundlichkeit und die fachliche Kompetenz gelingt dieser Spagat mühelos.

Interessante Kontraste

Seit dem Jahr 2000 ist Speck musikalische Chefin des renommierten Chores und hat inzwischen zahlreiche Oratorien aufgeführt. Immer wieder entstanden interessante Kontraste: Wolfgang Amadeus Mozarts „Requiem“ stand neben den zeitgenössischen Tönen von Hans Georg Pflügers „Das Verstummen“. Und 2003 begegneten sich mit John Rutters „Requiem“ und einer Mozart-Litanei stilistisch konträre, von unterschiedlicher musikalischer Couleur geprägte Werke.

Über allem steht für Heidrun Speck der Gesang. Sie stammt aus einem musikalischen Elternhaus. Ihr Vater war Leiter des Kirchen- und Posaunenchors in Deizisau. „Bei uns wurde immer viel gesungen“, erinnert sich die Musikerin, die von frühester Jugend an auf Blockflöte und Klavier unterrichtet wurde. Nach dem Abitur am Esslinger Georgii-Gymnasium und einem sozialen Jahr führte der Weg an die Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Das Studium im Fachbereich Schulmusik, das sie mit dem ersten Staatsexamen abschloss, erweiterte ihre breite musikalische Bildung, vertiefte die Kenntnisse in Theorie und Praxis. „Insbesondere die Leistungsfächer Klavier und Dirigieren waren prägend für meine berufliche Entwicklung“, sagt Speck, die auch nach dem Studium dem aktiven Singen verbunden blieb. Seit jener Zeit arbeitet sie unter der Leitung ihres ehemaligen Chorleitungs-Professors Dieter Kurz auf professionellem Niveau im Württembergischen Kammerchor mit.

Als Chorleiterin durchlief die Musikerin eine beachtliche Entwicklung: „Nach einer Station beim Gesangverein Buoch und zehnjähriger Tätigkeit als Dirigentin des Esslinger Sängerbundes RSK habe ich mich gefreut, zur musikalischen Leiterin des Oratorienvereins Plochingen berufen zu werden.“

Die Pianistin unterrichtet nicht nur zahlreiche Klavierschülerinnen und Klavierschüler - immer wieder übernimmt sie auch Chorbegleitungen. Besonderen Stellenwert hat für Speck die Zusammenarbeit mit der Sängerin Jeschi Paul. Seit 20 Jahren entführt das Duo sein Publikum neben politischen Programmen und Veranstaltungen, die sich mit dem Thema „Leben und Tod“ auseinandersetzen, in die Welt des Chansons: Man widmet sich Liedern musikalischer Größen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie Friedrich Hollaender, Hugo Wiener oder den Chansonetten Edith Piaf und Juliette Greco.

Besondere Bedeutung misst die Musikerin dem Projekt „Fürsingen“ für ältere Menschen bei, das aus der Kooperation mit einer Theologin und einer Sozialpädagogin entstanden ist. „Es ist beglückend, zu erleben, wie selbst Menschen mit hochgradiger Demenz durch alte Lieder aufblühen, wie Teile der Erinnerung an frühere Zeiten zurückkommen.“ Wie bei allen Kulturschaffenden brachte die Corona-Krise eine Zäsur in Specks Arbeit mit den Chören. Die Dirigentin sah darin auch eine Chance: Sie setzt technische Medien zum Einstudieren von Chorwerken ein. Zudem wurden im vergangenen Sommer kleine Chorgruppen zusammengestellt. Daraus entstand die Idee, einen Kammerchor des Oratorienvereins ins Leben zu rufen.

Das umfassende berufliche Engagement Heidrun Specks verlangt nach einem Gegenpol. „Die Schönheit der Natur beim Wandern immer wieder neu zu entdecken, ist für mich ein großes Glück“, sagt die Musikerin, die viel liest und an Literatur unterschiedlichster Stilrichtungen interessiert ist. Sie kocht sehr gerne, und auch Opern- und Ballettaufführungen geben ihrem Leben die notwendige Würze.