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Spritzige Abenteuer vor der Haustür

Freizeit Kajakfahren auf der Kirchheimer Lauter: Erst bei einem höheren Wasserstand entfaltet der kleine Fluss richtig seine Reize – zum Beispiel jetzt. Von Karin Ait Atmane

Foto: Karin Ait Atmane

Zwischen Kirchheim und Wendlingen fristet die Lauter ein weitgehend unbeachtetes Dasein. Streckenweise verschwindet sie mit ihrem tief eingeschnittenen Bett zwischen Gärten und hinter Sträuchern. Doch das Flüsschen bietet auch eine ganz andere Perspektive: Wenn der Wasserstand ausreicht, tummeln sich Kajakfahrer darauf und genießen seinen leichten Wildwassercharakter.

„Ich schau fast jeden Tag in die Lauter!“, sagt Wolfgang Michele, der in Kirchheim wohnt und auf dem Weg zur Arbeit den Neckarzufluss quert. Allzu oft gepaddelt ist er das Flüsschen trotzdem noch nicht, denn den dafür nötigen Wasserstand erreicht es meist nur zur Schneeschmelze oder in einer Regenphase - und dann oft nur ein paar Stunden lang. Der aktuelle Winter bietet allerdings immer wieder die Gelegenheit, und so ziehen sich Michele und eine Handvoll weiterer Paddler von der Wildwassergruppe des Deutschen Alpenvereins (DAV) Nürtingen an diesem Sonntag ihre Neoprenanzüge, Schwimmwesten und Helme über.

Beim Kirchheimer CVJM-Haus im Doschler werden die Boote zu Wasser gelassen. Kaum eingestiegen und die Spritzdecke über den Lukenrand gezogen, nimmt die Strömung die Kajakfahrer mit; ein paar Paddelschläge weiter schwingen sie ins nächste Kehrwasser - sozusagen der Parkzone am Bachrand - ein. Knapp über 70 Zentimeter zeigt der Pegel in Wendlingen an diesem Tag. 60 gilt als Minimum für die Befahrbarkeit: Bei weniger sitzt das Boot ständig auf, bei mehr als 80 Zentimetern spüle die Lauter „halt ordentlich durch“, wie Stefan Grun sagt. Dann bügelt die Strömung die meisten Kehrwasser und Spielstellen weg. Der Wasserstand an diesem Tag verspricht dagegen Spaß für alle, die sich in der Strömung und im sprudelnden Wasser ausprobieren möchten.

Anfangs sind die Ufer mit bemoosten Sandsteinen befestigt, aber bald wandelt sich das Bild hin zu einem natürlicheren Bachbett. Auf Augenhöhe zeigen sich fein geschichtete, bröckelnde Schieferaufschlüsse und freigespülte Baumwurzeln. Der Blick von unten auf Hausgärten und Komposthäufen ist ungewohnt, man malt sich aus, was bei Hochwasser passiert.

In der Ötlinger Ortsmitte rücken die Häuser näher ans Wasser. Einige Stufen mit starker Strömung und wildem Wasser warten hier, auch die eine oder andere Walze: So nennt man die rückläufige Strömung, wenn nach einer Stufe das Wasser an der Oberfläche wieder zu dieser hin gesaugt wird. Dem daraus entstehenden Kreislauf ist nicht leicht zu entkommen. Auf größeren Bächen oder an Wehren kann das gefährlich werden, an der Kirchheimer Lauter eher nicht - aber wer zu zaghaft über eine Walze fährt, riskiert festgehalten zu werden und muss sich seitlich freikämpfen.

Fotos: Karin Ait Atmane
Fotos: Karin Ait Atmane

Für die Zuschauer ist nicht nur das ein lohnendes Spektakel. Fußgänger und Radfahrer haben von den drei Brücken in Ötlingen aus beste Sicht, sie schauen und winken den spielenden Kajakern zu. Die fahren immer wieder ins schäumende Wasser unterhalb der Stufen, versuchen mit ihrem Boot auf einem Wellenkamm zu surfen oder lassen sich von der Strömung packen. Einen Schwall Wasser im Gesicht hatten spätestens in diesem Bereich alle schon.

Der Abschnitt zwischen Kirchheim und Wendlingen ist einsamer, das Flüsschen zu den Feldern hin mit Büschen und Bäumen abgeschottet. Ab und zu sieht man eine wippende Bachstelze auf einem Stein sitzen, immer wieder fliegen Wasseramseln auf. Den Vögeln mit dem weißen Bauch, die auf der Nahrungssuche ins Wasser eintauchen, begegnet man vor allem an Gebirgsbächen. Aber die Lauter ist eben etwas Besonderes: Müssen Wildwasser-Paddler sonst in die Berge oder ins Alpenvorland fahren, um ihrem Hobby nachzugehen, haben sie hier ein Gewässer mit „ordentlichem Wildwassercharakter direkt vor der Haustür“, so Grun. „Ich finde das beeindruckend. Du bist im städtischen Gebiet und trotzdem mitten in der Natur“, sagt Mitpaddlerin Mechthild Müller, die dem Fluss durchaus ein paar kleine Herausforderungen zuspricht.

Eine davon wartet auf Höhe von Bodelshofen, wo vor gut vier Jahren das frühere Wehr zur „rauen Rampe“, einer Gefällstrecke mit Steinquadern, rückgebaut wurde. Wo die Fische aufwärts schwimmen sollen, schlängeln sich die Boote zwischen den Hindernissen abwärts. Nicht nur an dieser Stelle kann man schon kentern - wer die Technik beherrscht, dreht sich und das Boot dann mit der Kajakrolle wieder nach oben.

Es folgen weitere Stufen, bestehend aus großen Sandsteinplatten, die sich bogenförmig über die ganze Bachbreite erstrecken. Am Vereinsheim des Musikvereins Wendlingen, nach rund fünf Kilometern, steigen dann die meisten Kajakfahrer aus. Hier endet die wildwassertechnisch interessante Strecke. Man kann aber auch das folgende kleine Wehr umtragen und dann weiter bis in den Neckar paddeln, vielleicht sogar bis zum Plochinger Filshechtkopf, was ebenfalls seine Reize hat - zum Beispiel die mögliche Einkehr direkt am Ausstieg. „Das ist auch ganz nett, da ist dann gleich das Fischerheim“, sagt Paddler Frank Nowatzki.