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Ständchen für den Blutmond

Konzert Anja Schulenburg und Tobias Schmid gestalten die Klassische Nacht des Vereins „Kultur ecce“ auf dem Dettinger Rathausplatz und begeistern das Publikum. Von Hans-Günther Driess

Die Kirchheimer Sängerin Anja Schulenburg und der Stuttgarter Pianist Tobias Schmid präsentierten ein Potpourri aus klassischen
Die Kirchheimer Sängerin Anja Schulenburg und der Stuttgarter Pianist Tobias Schmid präsentierten ein Potpourri aus klassischen Liedern, Opernarien und bekannten Melodien aus dem Musical- und Chanson-Bereich.Foto: Hans-Günther Driess

Welch eine Kulisse für diesen musikalischen Sommerabend! Gotische Kirche, Fachwerkhäuser, Lindenbäume, Dorf-Brunnen und als ganz besondere außermusikalische „Zugabe“ die Mondfinsternis.

Der Verein „Kultur ecce“ präsentierte zum 15. Mal die Klassische Nacht als Open-Air-Konzert auf dem Dettinger Rathausplatz. Die Kirchheimer Sängerin Anja Schulenburg, Absolventin der Universität der Künste Berlin mit Schwerpunkt Musical/Show, und der Stuttgarter Pianist Tobias Schmid spannten einen Bogen von Puccini und Schubert über Kurt Weill und Bertolt Brecht bis hin zu Andrew Lloyd Webber und Leonard Cohen.

Das gut aufeinander abgestimmte Duo bot mit Musikalität, Können und sympathischer Ausstrahlung eine glanzvolle Soiree. Anja Schulenburg bereicherte durch ihre kurzweilige lockere Moderation den musikalischen Genuss. Ganz nebenbei erfuhren die Zuhörer die eine oder andere Episode zum Schmunzeln aus dem Leben der einzelnen Komponisten.

Nach der Eröffnung mit einer Arie von Giacomo Puccini erklangen zwei Kunstlieder von Franz Schubert, das bekannte „Ständchen“ und, sehr passend zur idyllischen Szenerie, „Du bist die Ruh“.

Aus dem Musical „Elisabeth“ folgte das Lied „Ich gehör nur mir“, das kontrastreich Zärtlichkeit, Leidenschaft und Selbstbewusstsein versprühte. Hier war Anja Schulenburg in ihrem Lieblings-Metier angekommen. Jetzt war sie „warmgesungen“, in der Höhe frei und ausdrucksstark.

Mit drei sehr populären Liedern sprang der Funke vollends über, zuerst mit Georges Bizets „Habanera“ aus der Oper „Carmen“. Bei „Amazing Grace” glänzte die Sängerin vor allem im ausdrucksstarken A-cappella-Beginn. Im bekannten „Halleluja“ von Leonard Cohen summten oder sangen die Zuhörer leise mit. An den strahlenden Gesichtern war ablesbar, wie Musik verzaubern kann.

Hervorragend interpretiert waren drei Songs von Kurt Weill nach Texten von Bertolt Brecht, bei denen die Solistin der berühmten Sängerin Lotte Lenya in nichts nachstand und die politische Botschaft von Randgruppen und sozialer Ungerechtigkeit eindrucksvoll verdeutlichte. Das tiefe Register mit dunklem Timbre liegt Schulenburg gut, was im schmissigen Seemannslied „Surabaya Johnny“ und in der Moritat „Mackie Messer“ aus der Dreigroschenoper zum Tragen kam.

Nach der Pause stand eine anspruchsvolle Arie aus „Samson und Delila“ von Camille Saint-Saëns auf dem Programm, bei der die Differenzierung im Ausdruck und in der Dynamik beeindruckte. Hier zog auch Pianist Tobias Schmid alle Register seines Könnens und bewies Virtuosität.

Passend zur romantischen Stimmung auf dem Dettinger Rathausplatz strömte Franz Schuberts Hymne „An die Musik“ in den Abendhimmel, ehe in „Solveigs Lied“ von Edvard Grieg nach Text von Henrik Ibsen die herbe Schönheit der norwegischen Landschaft durchschimmerte.

Der Genre-Wechsel zum Musical zündete mit zwei Gassenhauern, „Ich hab getanzt heut Nacht“ aus „My Fair Lady“ und “I Feel Pretty“ aus der West Side Story von Leonard Bernstein. Bei diesen Stücken deutlich spürbar: Die minimalistische Beschallung mit einer einzigen zentralen Box stieß an ihre Grenzen. Vorn war es teils zu laut und die Schallverteilung wäre mit besserer Tontechnik sicher optimierbar gewesen.

Das hymnische „Time To Say Goodbye“ von Andrea Bocelli kündigte das nahe Ende des Konzerts an. Doch weit gefehlt: Die Zuhörer erklatschten drei Zugaben. „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef ist eine mutige Wahl, kann man die Knef doch nicht ansatzweise imitieren. Anja Schulenburg fand eine Lösung und interpretierte das Lied mit individueller Gestaltung.

Im Song „You’ve Got a Friend“ von Carol King gelang der Solistin ein Highlight des Konzerts. Mit dem richtigen „Feeling“ und kreativ improvisierten Passagen deckte sie ein weiteres Genre ab, den „Folk“ der späten 1960er- und 1970er-Jahre in den USA. Bob Dylan, Woodstock, Hippiezeiten lassen grüßen. Die zum Teil etwas älteren Zuhörer erinnerten sich dankbar und bekamen feuchte Augen.

„Nachher gehn wir alle Mond gucken“ , erwähnte Anja Schulenburg schon eingangs des Konzerts. Inzwischen leuchtete der „Blutmond“ und folgerichtig durfte das Volkslied „Der Mond ist aufgegangen“ nicht fehlen. Mit gelungener Dramaturgie setzte Tobias Schmid am Flügel in der dritten Strophe aus und das Publikum sang fast alleine, da sich die Solistin bereits herausgeschlichen hatte. Die drei Lindenbäume grüßten mit sanft schwingenden Ästen und golden beleuchtetem Blattwerk. So war’s früher: Volkslieder singen unter der Dorflinde. Die Musik verzauberte im Einklang mit der Natur und Kulisse. Nostalgie pur.