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Statt Gras und Getreide sollen Wohnungen in die Höhe wachsen

Baulandentwicklung Die Unteren Wiesen in Dettingen sollen nach dem Willen der Gemeinde bebaut werden. Nicht alle Eigentümer sind damit einverstanden. Von Iris Häfner

Zwischen dem Kreisel und der Verbundschule soll unterhalb des Guckenrains ein Baugebiet entstehen. Foto: Carsten Riedl
Zwischen dem Kreisel und der Verbundschule soll unterhalb des Guckenrains ein Baugebiet entstehen. Foto: Carsten Riedl

Enteignung ist kein schönes Wort. Dettingens Bürgermeister Rainer Haußmann vermied es deshalb tunlichst, es in der Gemeinderatssitzung in den Mund zu nehmen. Allerdings ließ er keine Zweifel daran, im Notfall auch Ernst zu machen, um Flächen für Wohnungsbau generieren zu können.

Nach Berechnungen eines Stadtentwicklungsbüros werden in Dettingen bis zum Jahr 2035 knapp 14 Hektar Land für Bebauung benötigt. Etwa 6 Hektar groß ist die Fläche „Untere Wiesen“. Sie befindet sich unterhalb des neuen Guckenrains, zwischen der K 1250 in Richtung Nabern und der Verbundschule. Grenze Richtung Westen ist der Albert-Schüle-Weg, sprich die Straße zur Verbundschule. Unverbaut bleibt der Hang. Er soll grün bleiben und das landschaftliche Band zur Teck bilden. Die Wiesen darunter sollen nach dem Willen der Gemeinde bebaut werden und zwar unter klaren Bedingungen. Das heißt: Grundstücke für die Enkel vorzuhalten gibt es nicht, bis spätestens in zwölf Jahren nach der Umlegung müssen die Flächen bebaut sein - egal von wem. Besteht kein eigener Bedarf, müssen die Flächen eben verkauft werden.

Damit sind jedoch nicht alle Eigentümer einverstanden, sie erklären sich nicht „zu einer freiwilligen Gebietsentwicklung mittels vereinbarter amtlicher Umlegung mit städtebaulichen Verträgen“ bereit. Deshalb zieht der Schultes alternative Instrumente in Betracht. Dies wären eine „städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ oder eine „gesetzliche (amtliche) Umlegung“, beides nach dem Baugesetzbuch. „Keine Kommune kann es sich leisten, Grundstücke brach liegen zu lassen und damit ohne Baugebot zu planen. Wir sprechen zum Zeitpunkt heute von: in 17 oder 18 Jahren“, so Rainer Haußmann.

„Wir haben Wohnungsnot, Dettingen ist ausverkauft“, begründet er die Entscheidung. Das Einkommen von Normalverdienern wie Krankenschwestern oder Polizisten reicht mittlerweile nicht mehr aus, um eine Wohnung in der Region Stuttgart finanzieren zu können. Sie erhalten deshalb einen Wohnberechtigungsschein.

Die Häuser werden höher

Der Schultes ging deshalb der Frage nach, was seine Kommune an Fläche für die nächste Generation braucht. „Das sind fünf Prozent Wachstum in 18 Jahren. 0,3 Prozent jährlich halte ich für realistisch und gesund. Pro Jahr sind das 27 Wohneinheiten“, erklärte er. Zumal Dettingen 2 400 Arbeitsplätze vorweisen kann. „Wo man arbeitet, soll man auch wohnen können - das ist ökologisch“, so Rainer Haußmann. Einfamlienhäuser wird es weniger als in der Vergangenheit geben, dafür preisgebunden Wohnraum zwischen 10 und 20 Prozent. „Wir als Kommune müssen uns einmischen. Es betrifft immer weitere gesellschaftliche Kreise“, scheute er sich sich nicht, offen über sozialen Wohnungsbau zu reden. „Das ist eine wichtige und neue Aufgabe, denn der Markt funktioniert nicht mehr“, ist der Schultes überzeugt. Weil die Fläche immer rarer wird, muss sparsam mit ihr umgegangen werden, da sie der Landwirtschaft komplett entzogen wird. „Viele Wohnungen auf wenig Platz sollen es werden, die Gebäude müssen deshalb höher werden“, so Rainer Haußmann.

Die Gemeinderäte waren nicht unvorbereitet. Nicht öffentlich wurde über das Thema Baulandentwicklung schon beraten. Die in Frage kommenden Flächen wurden analysiert und priorisiert. Rainer Haußmann ist gewillt, alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um relativ zeitnah Bauflächen anbieten zu können. Vieles ist noch nicht konkret, weshalb er in Bezug auf die Unteren Wiesen von einer Potenzialfläche spricht. Die notwendigen Voruntersuchungen sind in Auftrag gegeben. „Unser Lieblingstier, die Zauneidechse, ist auch unterwegs, Feldlerche und Goldammer wurden auch gesichtet“, so Rainer Hausmann. Für sie gilt es, neue Habitate zu schaffen.

Die Lärmprognose am Kreisel ist hoch, deshalb wird es nach derzeitigem Stande eine sieben Meter hohe Lärmschutzwand geben, Richtung Guckenrain dann mit fünf Metern. Würde die Geschwindigkeit in diesem Bereich auf 70 Kilometer pro Stunde reduziert, wären es 5,5 beziehungsweise 4,5 Meter. Um für ein hundertjähriges Hochwasser gerüstet zu sein, müssen die tiefsten Flächen noch um 40 Zentimeter für Staufläche abgegraben werden.