Weilheim · Lenningen · Umland
Steiniger Weg zum Weilheimer Bahnhof

Verkehr Wo die Stadt Stellplätze für Wohnmobile anbietet, soll einmal die S-Bahn halten. Bürgermeister Johannes Züfle bewegt sich zwischen Zuversicht und Zweifel, was die Dauer des Verfahrens angeht. Von Bernd Köble

Es war ein warmer, trocke­ner Herbsttag, an dem es Abschied nehmen hieß. Viele Weilheimer lagen an diesem Samstag noch im Bett, als zwei Minuten nach sieben Uhr in der Früh an diesem 25. September 1982 die letzte Diesellok mit lautem Pfeifen die Stadt verließ. Um 7.18 Uhr erreichte der Zug den neuen Kirchheimer Bahnhof. Damit endete an der Teck nach 74 Jahren ein Stück Bahngeschichte. Am folgenden Sonntag galt ein neuer Fahrplan, in dem die Verbindung nicht mehr auftauchte. Fortan brachten Bahnbusse die Fahrgäste aus und nach Weilheim.

 

Wenn wir wollen, dass in 15 Jahren hier ein Zug fährt, müssen wir die Sache jetzt anpacken.
Johannes Züfle
Weilheims Bürgermeister will bei der S-Bahn-Verlängerung keine Zeit mehr verlieren.

 

Fast 41 Jahre später steht Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle an der Stelle, an der einst Züge verkehrten. Knapp 200 Meter westlich des ehemaligen Bahnhofsgebäudes, in dem heute die Diakonie untergebracht ist, warten an diesem verregneten Frühlingstag ein paar Camper auf eine der seltenen Wolkenlücken. Was sie nicht wissen: Dort, wo auf kommunalen Flächen ihre Wohnmobile parken, soll irgendwann ein neuer Bahnstopp entstehen. Kein massiver Steinbau wie einst, aber ein überdachter Haltepunkt mit einem 210 Meter langen Bahnsteig, wie er für die S-Bahn benötigt wird, und dazugehöriger Infrastruktur: Fahrrad-Stellplätzen, Parkplätzen für Pkw, Bushaltebuchten, Ticket-Automaten.

Alles nur leise Zukunftsmusik? Wenn es nach Weilheims Rathauschef ginge, den das Thema seit 14 Jahren begleitet, seit es als Gegenstand politischer Debatten erst hochgespült und wegen mangelnder
Wirtschaftlichkeit wieder verworfen wurde, müsste es jetzt schnell gehen. Auch für Züfle ist Tempo ein relativer Wert. „Man muss den Leuten klar machen, dass hier die nächsten zehn Jahre kein Zug fahren wird“, sagt er. „Wenn wir jedoch wollen, dass er in 15 Jahren fährt, dann müssen wir die Sache jetzt anpacken.“

Für ihn bedeutet das: die Konzentration auf das Wesentliche. Keine Zeit mehr verschwenden, um Varianten zu vertiefen, die entweder viel zu teuer sind oder die Attraktivität der Schienenverbindung mindern. Dazu zählen eine mögliche Durchbindung in Richtung Bad Boll und weiter nach Göppingen, die kostspielige Tunnelbauten mit sich brächte, für ihn ebenso wie die Verknüpfung mit der kleinen Teckbahn nach Oberlenningen. „Wenn wir einen echten Mehrwert gegenüber der bestehenden Busverbindung wollen“, sagt Züfle, „dann muss die Bahnfahrt in Richtung Stuttgart umsteigefrei sein.“ Fahrkomfort, den allein die Verlängerung der S1 über Kirchheim hinaus in die Limburgstadt bieten könnte. Jene Variante also, die von den Verkehrs­experten im Rahmen der Machbarkeitsstudie die besten Noten erhielt.

Selbst eine Anbindung des geplanten Gewerbegebiets Rosenloh am Nordrand der Stadt hält Züfle für den Einstieg in konkretere Planungen nicht für zwingend. In den Plänen von Cellcentric, das dort auf einer Fläche von 15 Hektar bis 2026 eine der größten Brennstoffzellen-Produktionsstätten in Europa ansiedeln will, sei eine Schienenanbindung wegen des zu erwartenden Warenverkehrs nie als Muss definiert worden. Anders sähe es aus Sicht des Bürgermeisters für die bis zu 800 Beschäftigten aus, die mittelfristig dort arbeiten sollen. Für sie wäre ein attraktives Verkehrsangebot sehr wohl ein Standortargument. „Wenn wir die Straße wirksam entlasten wollen, dann schaffen wir das nicht, indem wir fünf Busse mehr fahren lassen“, meint Züfle, „sondern nur mit der S-Bahn.“

Die Hoffnungen der Stadt ruhen deshalb auf einem raschen Abschluss der erweiterten Untersuchungen, möglichst noch in diesem Jahr, um zu einer politischen Entscheidung im zuständigen Regionalparlament zu kommen. Untersucht werden neben der Verlängerung der Teckbahn bis Weilheim und der Durchbindung nach Göppingen auch die Auswirkungen eines Stuttgart-Kirchheim-Express (StuKix) auf die Wirtschaftlichkeit. Die angedachte Regionalbahnverbindung von den Fildern ins Neckartal gilt allerdings als das aufwändigste und am schwersten zu realisierende Projekt.

Dr. Jürgen Wurmthaler, Regionaldirektor des Verbands Region Stuttgart, erwartet erste Ergebnisse der Untersuchungen erst im Frühjahr 2024. „Wie schnell das Verfahren vorangeht, hängt auch davon ab, wie eindeutig die Ergebnisse sind“, sagt Wurmthaler. Im kommenden Jahr wird im Rahmen der Kommunalwahlen auch in der Region neu gewählt. Eine politische Entscheidung in alten Gremien halten die wenigsten Experten für wahrscheinlich. Nach einem Mehrheitsbeschluss bräuchte es eine genehmigungsfähige Planung, um in eine standardisierte Bewertung einzusteigen, die Grundlage ist für eine Förderung durch Land und Bund.

Im Verkehrsausschuss der Region stellten die Fraktionen im April mehrheitlich klar, dass man die Durchbindung nach Göppingen nicht frühzeitig abschreiben wolle. Grünen-Sprecherin Lena Weithofer unterstrich dabei allerdings, dass man sich gegebenenfalls mit der kürzeren Variante bis Weilheim zufrieden geben müsse. „Bevor wir am Ende mit gar nichts dastehen.“

 

„Großer Bahnhof“ zum letzten Mal

Menschenmassen am Bahnhof in Weilheim, das gab es zum letzten Mal an einem Wochenende im Herbst 1985. Am 21. und 22. September lockte das Fest zum zehnjährigen Geburtstag des neuen Kirchheimer Bahnhofs zahllose Besucher an. Hauptattraktion war das „Sofazügle“ der Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen (GES), das sonst zwischen Nürtingen und Neuffen verkehrt. Diesmal pendelten die sieben Dritte-Klasse-Wagen der 85 Jahre alten Hohenzollerischen Eisenbahn mit roten Luftballons geschmückt auf der Strecke zwischen Kirchheim und Weilheim.

Gezogen wurden die Waggons allerdings nicht von der Dampflok des „Sofazügles“, die als Attraktion im Kirchheimer Bahnhof geparkt war, sondern von einer 45 Jahre alten Diesellok, die als Rangierlok für die Papierfabrik Scheufelen im Einsatz war. Dass die Touristenbahn an diesem Wochenende bereits auf verrosteten Gleisen verkehrte, störte niemanden. Der Personenverkehr auf dem Schienenstrang war bereits drei Jahre zuvor eingestellt worden. bk