Weilheim · Lenningen · Umland
Traumhaft schöne Stammgäste

Winter Viele Pflanzen, die bei Blumen & Gärtner Liebrich in Holzmaden überwintern, sind jedes Jahr neu zu Gast. Seit andere Quartiergeber in der Nähe zu sind, ist die Nachfrage nach freien Plätzen gestiegen. Von Peter Dietrich

Nein, Michael Liebrich steht nicht im Dschungel, auch wenn es auf dem Foto ein wenig so aussehen mag. Er ist umgeben von lauter Topfpflanzen, die bei ihm überwintern. Es sind Orangen und Limetten, Oliven und Oleander. Auch Liebhaberstücke wie ein Pfennigbaum gehören dazu. Michael Liebrich hat zwei Temperaturstufen anzubieten: Wer sich bei etwa acht bis zwölf Grad Celsius wohlfühlt, zieht ins Gewächshaus in der Holzmadener Gärtnerei ein, bei zwei bis sechs Grad passt ein Plätzchen in einer Außenstelle außerhalb des Ortes. Dort hat die Gärtnerei vor einiger Zeit die nahen Blautannen gestutzt, damit es die Sonne auch bei niedrigem Stand wieder in die Talsenke schafft. Das spart teure Heizenergie.

Bis Wiesensteig, Schopfloch, Lenningen und in den Landkreis Göppingen war die Gärtnerei von Mitte Oktober bis Anfang November unterwegs, um die Topfpflanzen abzuholen. Das war der anstrengendste Teil des Auftrags, manche große Pflanze musste aus dem zweiten Stock über eine Treppe heruntergetragen werden. Ende April oder Anfang Mai geht es dann zurück, auf die Albhochfläche eher etwas später als im Tal – und so, dass sich der Rücktransport zu verschiedenen Kunden zu einer sinnvollen Tour verknüpfen lässt. Werde es danach nachts nochmals für ein paar Stunden kalt, Stichwort „Eisheilige“, mache das nichts, sagt der erfahrene Gärtner, erst dauerhafte Kälte sei schädlich.

Seit zwei Kollegen in Kirchheim und Neidlingen geschlossen hätten, sei die Nachfrage nach Winterplätzen gestiegen, beobachtet er. In Albershausen wolle ein Kollege zum 1. Januar verkaufen. „Das Angebot ist dünner geworden.“ Michael Liebrich kämpft ebenfalls mit einem sehr hartnäckigen Problem, dass sich „deutsche Bürokratie“ nennt. Er würde gerne von der schwierigen Hanglage in Holzmaden, mit vielen Treppen und ohne Erweiterungsmöglichkeiten, an einen Standort außerhalb des Ortes wechseln.

 

Manche Besitzer fragen, ob sie ihre Pflanze im Winter einmal besuchen dürfen.
Michael Liebrich
 

Berechnet wird das Winterquartier nach Fläche, die Höhe der Pflanze ist nicht so wichtig – sofern es nicht mehr als vier oder fünf Meter sind, die gerade noch in die Mitte des Gewächshauses passen. „Es gibt traumhaft schöne Pflanzen“, sagte der Gärtner über seine Wintergäste. Bei mancher Pflanze spiele aber auch die Erinnerung des Besitzers eine große Rolle: „Vielleicht stammt die Pflanze schon von der Oma, oder sie war ein Ableger aus dem Urlaub in Griechenland.“

Manche Pflanze kommt allerdings zuerst in die Quarantäne. Das geschieht dann, wenn sie wegen eines Schädlings Pflanzenschutzmaßnahmen braucht. „Ich bin ein sehr ökologischer Mensch. Lieber behandle ich nur eine einzelne Pflanze separat, auch wenn es mehr Aufwand ist.“ Ist die Pflanze dann wieder gesund, darf sie zu den anderen. Anders als im Wald, wo Bäume über das unterirdische „woodwide web“ miteinander verbunden sind und kommunizieren, kümmert es die Topfpflanzen weniger, wer da neben ihnen steht. Sie konkurrieren auch nicht um Nährstoffe, die sie natürlich in der Gärtnerei genauso wie die richtige Menge Wasser bekommen. Auch für den Rückschnitt wird dort gesorgt.

Viele der Großpflanzenbesitzer sind 50 Jahre und älter, aber es sind auch junge Familien dabei. Sie wissen längst, dass sie ihre Pflanzen im Frühjahr in allerbestem Zustand zurückbekommen. Ob es nun eine Vorsichtsmaßnahme ist oder die Sehnsucht, manche Besitzer fragen dennoch, ob sie ihre Pflanze im Winter einmal besuchen dürfen. Michael Liebrich ist da großzügig, solange es kein Massentourismus wird. Die Gärtnerei kümmert sich mit größter Sorgfalt um ihre Gäste, ihre Haftungsklausel betrifft nur Ereignisse, für die sie selbst nichts kann – etwa ein Tornado oder ein längerer Blackout.

Die Überwinterung in der Gärtnerei ist kein neuer Trend, Michael Liebrichs Vater hat sie seit Jahrzehnten angeboten. Wer hat zuhause schon einen Wintergarten, den er nicht bewohnt, der also im Winter passende 8 bis 14 Grad Celsius hat und bei Sonne genügend gelüftet wird? Doch Michael Liebrich weiß auch, mit wie viel Engagement und grünem Daumen sich manche Leute zuhause um ihre Pflanzen kümmern. „Ich kenne eine Frau, die ihre großen Pflanzen, wenn sie im Frühjahr wieder zu wachsen beginnen, immer tagsüber mit dem Schubkarren ins Freie fährt.“